Heute wird die neue Regierung angelobt. Damit fallen Entscheidungen für unsere nähere und ferne Zukunft. Wir alle beobachten gespannt, was geschieht, wie sich die neuen Ministerinnen und Minister auf ihr Amt einlassen.
Im Anhang bringe ich euch den Text von Andreas Wabl, dem grünen Urgestein und Gründungsmitglied der Partei. Doppelseitig war er mit seiner fiktiven Rede an den Bundeskongress am 3.1.2020 in der Kleinen Zeitung.
Auch im Anschluss hier zum Nachlesen:
Liebe Freundinnen und Freunde der Grünen
Bewegung,
liebe Delegierte des Bundeskongresses,
eine Gruppe entschlossener Menschen(Gerd,Fritz,Fritz,Franz,Mathias,Andreas und
Christian)
hatte sich im Jahre 1982 im Schloss Trautenfels getroffen, um eine Partei zu
gründen.
Wir hatten die Friedensbewegung
mitgemacht, aus den 68ern gelernt, die Emanzipationsbewegung kam in Schwung,
die Ökologie-und Antiatombewegung formierte sich weiter, erste Erfahrungen als
alternative Gemeinderätinnen wurden gemacht und wir hatten den festen
Willen, eine politische Organisation, eine Partei zu gründen, die anders
war als die damals und heute bestehenden. Und wir hatten einen Traum: Die
Vorstellung von einer gerechteren Gesellschaft, die eine
“Alternative”
zur bestehenden werden sollte.
Heftig bekämpft von den Etablierten rangen wir um die Anerkennung
einer gemeinsamen politischen Grundlage für unsere Anliegen.
Wir sahen den Wald bedroht und unsere Flüsse vergiftet. Der zweitgrößte Fluss
Österreichs, die Mur, war der am meisten verschmutzte Europas!!!
Viele dieser Anfänge scheinen gänzlich vergessen zu sein.
Die Grünbewegung begann nicht mit dem Einzug ins Parlament,
nicht mit der Bürgerinitiative Parlament (BIP).
Vor der Partei waren Bewegungen. Daran möchte ich erinnern, weil aus der
Verkennung und dem Vergessen der
Geschichte Fehler entstehen.
Die Wiederholung der Fehler hat unter anderem dazu geführt, dass wir aus dem
Parlament geflogen sind.
Beim ersten Bundeskongress in Klagenfurt nannten wir uns dann
“Die Grüne Alternative”.
Heute soll dieser Kongress beschließen, dass die Nachkommen der
Gründungsgeneration
eine Regierung mit .den “neuen” Konservativen eingehen.
Und er soll über ein “Paket” urteilen, das den Delegierten erst kurz
davor
zugeschickt worden ist.
Woher eigentlich plötzlich die Eile?
Wäre es nicht notwendig, dem Kongress ein echtes Mitspracherecht einzuräumen?
Dass auf ihm noch jene Stimmen vorgebracht und bedacht werden, die
zu einer Nachverhandlung führen könnten.
Alles ist so angelegt, dass das unmöglich erscheint.
Vorab: Ich bin für ein Ja zu dieser Koalition mit den Konservativen.
Wir sind ja selbst, was die Umwelt betrifft, “konservativ”, aber ich
bin
dagegen, dass bei der Erstellung des Regierungsprogramms
davon ausgegangen wird, dass es ZWEI WELTEN gibt, die der ÖVP
und die der GRÜNEN und deren Wahlkampfforderungen.
Haben wir nicht immer gesagt, dass es nur EINE Welt gibt ?
Die Welt richtet sich nicht nach den Wahlslogans der Parteien, auch nicht
nach denen der GRÜNEN. Die Klimaschutzbewegung ist die Folge der
realen Zerstörung von Umwelt und Lebensmöglichkeiten und der Träume all zu
vieler Jugendlicher auf unserer Erde.
Wir wissen, dass sich die Produktionsbedingungen tiefgreifend
verändern müssen, wenn wir die Welt vor der unheilbringenden
Erwärmung retten wollen.
Das haben die Grünen Mandatare als erste in die politische Arena
gebracht. Erforscht haben es die Wissenschaftler und groß ins
Gewissen der Welt gerückt haben es die Hunderttausenden, die
auf der ganzen Welt diese Erkenntnisse ERNST genommen
haben und die politische Konsequenzen forderten.
Das hat die Grünen nach schweren inhaltlichen und strukturellen Fehlern
wieder ins Parlament gebracht!
Die Jugendlichen wollen den Wechsel “jetzt”!
Wissen sie, was es heißt und wollen sie es wissen, was es heißt mit
Routiniers der Macht und der Verwaltung zusammen zu arbeiten?
Wissen das unsere Designierten?
Haben wir in den Bundesländern gezeigt, wie
die Antwort in einer Koalition lauten muss?
Als der Innsbrucker Bürgermeister den Vorschlag machte, dass das
Finanzministerium verlangt werden soll, hat man ihm rasch erklärt,
er solle solche “Zwischenrufe” unterlassen und bescheiden wie er
ist, hat er das dann auch kürzlich gleich eingesehen.
Warum so bescheiden ?
Warum die Zurückhaltung?
Was soll das?
Was ist da los?
Greta Thunberg, oder “System change, statt Klimachange”
sprechen eine andere Sprache.
Wie sollen die GRÜNEN Einfluss auf die Geld – und Wirtschaftspolitik
nehmen können, wenn sie sogar auf ein Staatssekretariat im Finanzministerium
verzichten mussten? Während die ÖVP selbstverständlich einen Staatssekretär ins
neue große Umweltministerium setzt, geben wir diesen wichtigen Anspruch auf!
Wieso übernimmt Werner Kogler nicht das
Wirtschaftsministerium, in dem die Weichen für ein neues Wirtschaften gelegt
werden müssen ?
Haben die VertreterInnen der “konservativen” Wirtschaftspartei schon
begriffen und gezeigt, was es zu tun gilt?
Darf man sie ohne weiteres, auch wenn man grundsätzlich anderer Meinung
ist,
“ihre Wahlversprechen” erfüllen lassen ?
Ich bin hier nicht stimmberechtigt.
Trotzdem bringe ich den Antrag ein:
Kogler soll Wirtschaftsminister werden oder es soll ein grünes
Staatssekretariat im Finanzministerium eingerichtet werden .
Den
Machtverhältnissen aus den Wahlen mag dies nicht entsprechen, aber ich
bin überzeugt, dass in den Ressorts
Entscheidendes von grüner Seite eingebracht werden könnte.
Hätten Schramböck oder Blümel die Ökologische Dimension in ihr politisches
Handeln integriert, würde ihr Weg anders aussehen,
Vor allem wäre bereits eine Ökosoziale
Steuerreform ihrerseits auf dem Verhandlungstisch gelandet und es müsste nicht
unser Herzstück einer effizienten Klimapolitik auf 2022 vertagt werden.
Josef Riegler, ehemaliger
Landwirtschaftsminister und Vizekanzler, wagte ökologische Reformen schon vor
mehr als 30 Jahren und wurde als ÖVP-Chef brutal demontiert. Franz Fischler,
einst mächtiger Eu- Kommissar, hat vor 10 Jahren eine ökologische Steuerreform eingefordert.
Seine Partei hat immer gebremst. 2008 sollte nochmals unter Bundeskanzler
Gusenbauer eine ökologische Steuerreform verhandelt und beschlossen werden. Die
Grundlagen wurden von den Expertinnen im Bundeskanzleramt erarbeitet und
vorbereitet. Eine hochkarätige Arbeitsgruppe wurde mit Ex-Finanzminister
Lacina, Fischler und dem damaligen
Klubobmann der Grünen Van der Bellen formiert. Umweltminister Pröll ließ nach
relativ kurzer Zeit ausrichten: „Das Unternehmen ökologische Steuerreform
ist vorbei!“
Und jetzt versucht Kurz nochmals mit seiner neuen
ÖVP (das letzte Mal?) die Grünen Verhandler zu bremsen.
Werner Kogler muss die Diskussion mit
der Beamtenschaft und mit der ohnehin
schon zum Teil aufgeklärten
Bevölkerung organisieren, damit sich bei der Regierung und der gesetzgebenden
parlamentarischen Körperschaft die tiefen und grundsätzlichen Erkenntnisse der
Erneuerung durchsetzen und in Gesetze gefasst werden und so Regeln unseres
Lebens politisch neu angelegt werden,
In Frankreich sieht man, dass die Regierung viele Fehler macht, weil sie zu
zentralistisch und abgehoben agiert. Davor sind auch Grüne keinesfalls gefeit.
Macht Euch auch an die Überzeugungsarbeit und verliert Euch nicht.
Die Basis der Erneuerung liegt in der Bewegung. Die Regierungsarbeit kann eine
Krönung sein oder das zu frühe Ende.
Ich wünsche euch eine kluge Entscheidung und
der neuen türkis-grünen Regierung alles Gute!
AndreasWabl
ehem.Klubobmann der
Grünen im Parlament
Christian Wabl
Künstler