Auf sich selbst zurückgeworfen sein und zu entdecken, dass man doch nicht alles so im Griff hat, das tut ganz schön weh. Stündlich gibt es neue Anweisungen und Verhaltensmaßregeln. Wir taumeln von einem Tag zum nächsten und können doch nichts finden, als uns selbst und unsere eigene Einstellung zum Leben an sich. Wo bleibt die Kontrolle, die wir bisher – vermeintlich – über unser Leben hatten?

Die PessimistInnen unter uns haben es immer schon gewusst. Es wird etwas ganz Schlimmes kommen. Dass der Krieg so lang dauern würde, dass Hungern so weh tut und dass so viele sterben, das hätte niemand gedacht, hat meine Mutter immer innbrünstig erzählt. Ihr war vollkommen klar, dass eines Tages wieder alles rationiert und überwacht werden würde.

Einige meiner pessimistischsten Bekannten haben sich schon die letzten Jahre hindurch täglich nur widerwillig und mit Mühe zur Arbeit geschleppt und dabei geschnauft: “So lange es nur so bleibt! Es ist zwar kaum zum Aushalten, aber Hauptsache der nächste Urlaub ist schon eingetragen und meine Aktien fallen nicht.” Sie hamstern aktuell Alkohol und Medikamente.

Die OptmistInnen haben hingegen immer schon gewusst, dass alles was passiert, uns nur noch fester zusammenschweißen wird. Das sind jene, die sogar noch für den legendären Stan am Schädl dankbar sind. Für diese Menschenart wendet sich immer alles zum Guten, Hauptsache die Gattung Mensch überlebt. Der eigene Wohlfühlfaktor wächst mit der Herausforderung.

Die Erfindungsgabe der OptimistInnen ist schier unerschöpflich, wenn es darum geht, positive Zeichen der Zeit zu erkennen, die uns mitteilen, dass der soziale Zusammenhalt intakt ist. Ein neues Leben kann man nicht anfangen, aber täglich einen neuen Tag. Ein optimistischer Augenaufschlag ist wie ein Sonnenaufgang!

Erster Frosch im Garten

Gesellige Menschen und solche, die gerne angepasst im Mainstream schwimmen, atmen erleichtert auf, denn sie haben endlich auch Zeit für sich und fühlen sich nun nicht mehr verpflichtet, ständig auf allen Hochzeiten zu tanzen. Wenngleich: Das sind jene, die ausgangsbeschränkt ununterbrochen telefonieren und betonen, dass die Virtualität doch virenfrei sei und man in Zeiten wie diesen auf persönlichen Austausch nicht verzichten müsse.

Unter Gesellschaft verstehen sie in erster Linie gemeinsame Unterhaltung, Kommunikation über Themen, die vielen ein Anliegen sind, Austausch über Inhalte, die uns nicht nur voran bringen, sondern die uns auch Einblicke in die Lebensumstände unserer Mitmenschen gewähren.

Emotional stabile Typen bleiben, was und wie sie sind: zuverlässig und stabil. Sie bilden den Rückhalt jeder Familie und jeder Arbeitsbeziehung. Sie funktionieren. Es stellt sich heraus, dass man ihre Arbeitskraft schon seit Jahren besser hätte nutzen können, als sie täglich viele Stunden im Pendlerverkehrstau stehen zu lassen und man richtet ihnen Home-Offices ein, in denen sie weiterhin zuverlässig ihren Dienst tun. Hier treffen wir auf unaufgeregte Menschen, die sich eher selten beklagen oder Initiativen setzen, die stabile Systeme aus dem Gleichgewicht bringen. Sie moderieren täglich das, was ihnen zu moderieren aufgetragen ist – und damit hat sich´s. Das können sie, das machen sie und Besseres können wir uns von ihnen nicht wünschen.

Die Autofokussierten reflektieren, wie sie sich denn nun fühlen sollen, da sich alles geändert hat. Sie versuchen sich daran zu erinnern, mit welchem Lebensgefühl sie noch vor wenigen Wochen gelebt haben und ob sich seither Entscheidendes geändert hat. Schlafqualität, Verdauungstätigkeit, Ängste- und Anspannungsniveau werden auf ihre Konsistenz geprüft und etwaige Veränderungen schriftlich aufgezeichnet, telefonisch mit Vertrauenspersonen besprochen oder bei einsamen Spaziergängen, die außer in Tirol derzeit ja überall noch erlaubt sind, an der frischen Luft wieder und wieder bedacht.

Wer zu dieser Gruppe gehört, achtet darauf, das innere Gleichgewicht nicht zu verlieren und sich selbst regelmäßig Gutes zu tun. Genug Schlaf, angenehme Lektüre, unaufgeregtes Krisenmanagement ist ihnen ein besonderes Anliegen.

Synagogenvorplatz Maribor

Die SelbstinszeniererInnen schließlich stürmen die sozialen Netzwerke und schwelgen in Fake News, die sie zwar sofort als solche erkennen und durchschauen, nichts desto trotz aber weitergeben, damit die Welt staunend realisiere, welchen Bären man sich aufbinden lassen könnte, nicht aber der/die Allgegenwärtige. Sie teilen mit, was sie sehen, wer was wie macht und wie es richtig gemacht gehört und verstehen es, sich ins Rampenlicht zu rücken, selbst wenn sie gar keinen eigenen Beitrag zu leisten haben und nur die Trumps und Putins dieser Welt kommentieren.

Im One-on-One-Kontakt reagieren sie verhalten, melden sich lange Zeit nicht und dann mit vagen Andeutungen und unheilsschwangerer Hindergrundmusik. Fragen beantworten sie kryptisch, wie Stars. Sie haben Mitleid mit den Menschen, denen die Bühne nicht so liegt wie ihnen. Wichtig ist ihnen das entsprechende Publikum, der Applaus, die Anerkennung. Im Lichte der Aufmerksamkeit können sie sich sonnen und zu ungeahnter Größe und Wichtigkeit auflaufen.

Na? Zu welcher Gruppe gehört ihr und mit wem habt ihr es zu tun?

Wer hat Lust, mit mir Feldforschung zu betreiben? Die Mensch sind wie Knödel, hat meine Mutter immer gesagt. Keiner gleicht dem anderen. Lauter Unikate.

Grüße aus der Südsteiermark