Hamamelis ist der geheimnisvolle lateinische Name einer Pflanze, die mich seit meiner frühesten Jugend bezaubert. Sie blüht im Winter, wenn die Flora ruht. Ihre zarten, gelben oder roten Blütenfäden sind ein Zeichen dafür, dass die kalte Zeit bald vorüber sein wird.
Nach einem langen und anstrengenden Tag in Arnfels besuche ich meine Freundin. Auf ihrem Tisch im kühlen Atrium steht eine Blumenvase mit blassrosa Tulpen, eingefasst von ein paar unfrisierten Büscheln Hamamelis. Ich betrachte das Arrangement und sehe die Frauen wieder vor mir, die mich heute in meinem Beratungsraum in der Leutschacherstraße aufgesucht haben. Wie fragile Frühlingsboten einer herannahenden Vertrautheit sind sie zu mir herauf, in den zweiten Stock, gekommen. Ein unverhofftes Geschenk in einem kühlen und verschlossenen, mir noch sehr fremden Biotop.
Was Frauen am Land leben und leisten, ist ihnen selbst nicht bewusst, und doch verzaubern sie mit ihren Blüten unwirtliche Gegenden, wo Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammenfließen.
Meine Freundin tritt mir entgegen. „Da bist du ja!“ Sie umarmt mich und bittet mich herein. Mit einem Blick auf die Blumenvase sagt sie: „Die biegsamen Tulpen verlieren so leicht den Halt. Mit der Zaubernuss aus meinem Garten konnte ich sie wieder aufrichten.“
Zierliche Pflänzchen und archaische Gewächse. Der Frühling lässt sich nicht mehr aufhalten. Wie ein lang erwarteter Brief findet er seinen Weg zu uns. Er hat keine Eile. Feminismus ist für alle da!
Rechnungshofbericht „Gewalt- und Opferschutz für Frauen 2023“ fordert effektiveren Schutz und langfristig angelegte Strategien
Der Rechnungshofbericht „Gewalt- und Opferschutz für Frauen 2023“ fordert effektiveren Schutz und langfristig angelegte Strategien. Vom Klimaschutz wissen wir: Ohne bewusstseinsbildende Maßnahmen ändert sich kaum etwas. So wird man über den Einsatz der Ressourcen und den rechtlichen Rahmen, die einander ja wechselseitig bedingen, weiterhin beraten und diskutieren. Was aber ist heute und jetzt zu tun? In der Steiermark schießen die Femizidzahlen in die Höhe. Wir führen die österreichweite Statistik an. Vielleicht weil Alkohol und exzesshaftes Verhalten, aber auch eine nachhaltige Beeinträchtigung der Intelligenz bei ausreichend Alkoholkonsum, an unseren schönen Weinbergen festgemacht werden können? Nein! Schreit der Tourismus. Vielleicht weil die Exekutive zu sehr um Gerechtigkeit bei den Wegweisungen bemüht ist, anstatt einfach jede Frau ernst zu nehmen? Nein. Die Polizei ist auf Zack. Vielleicht weil durch strukturelle Gewalt, das Fehlen von Kinderbetreuungsmöglichkeiten und die ungleiche Bezahlung Frauen einfach besser dauerhaft dem traditionellen, niemals beglückenden Kleinfamilienmodel anhängen? Kann nicht sein, denken wir. Jede ist ihres Glückes Schmiedin.
Also sind wohl die Frauen selbst Schuld an der Misere. Denn die besteht nicht etwa darin, dass Femizide geschehen und Frauen von ehemals Geliebten hingemordet werden. Die Misere ist – und das sagt uns der Rechnungshofbericht – dass das Geld nicht klug verwendet wird. Viel Herumgewurschtel mit wenig Output. Im Sinne einer Sensibilisierung aller Bevölkerungsschichten ist jedenfalls ein Hinschauen erforderlich. Gewaltspuren im sozialen Nahraum müssen erkannt, benannt und gebannt werden. Hilfreich wäre da natürlich auch eine mediale Berichterstattung, die weniger skandalisieren und mehr informieren könnte. Die Kontaktdaten und Anlaufmöglichkeiten von Opferschutzeinrichtungen, Beratungsstellen und Bildungseinrichtungen sollten so augenfällig und effektiv sein wie Lottoannahmestellen. Die Chancen, einen Jackpot zu machen sind gering, aber dass in zwei Wochen der nächste Femizid Österreich erschüttern und völlig überraschend eine von uns treffen wird, das ist sicher.
Bargeldloser Zahlungsverkehr hat sich gegenüber dem Tauschhandel der vorigen Jahrhunderte relativ rasch durchgesetzt. Frauenanliegen hingegen tümpeln konsequent dahin. Cui bono? Nicht immer lässt sich nachvollziehen, wohin die demokratische Reise geht. Eine völlige Abschaffung des Bargelds trüge jedenfalls maßgeblich zur Transparenz von Geldflüssen bei. Die EU und so mancher österreichische Politiker – Politikerinnen werden neuerdings dort, wo man nicht gendern mag, wieder mitgemeint – wollen es allen recht machen und diskutieren nun eine optisch ansprechende Neugestaltung der Banknoten.
Doppeldeutige politische Botschaften, soweit das Auge reicht. Diese Nicht-Fisch-und-nicht-Fleisch-Haltung scheint sich in unseren zunehmend veganen Zeiten in allen Themenbereichen durchzusetzen. Wie beim Geld vergisst man aber, worauf es eigentlich wirklich ankommt, nämlich auf eine Bekämpfung der horrenden Inflation, die den Durchschnittsbürger:innen das „normale“ Leben nahezu verunmöglicht. Aber was ist schon normal?
Beim Klima ist es nicht anders. Um der Letzten Generation ebenso gerecht zu werden, wie denjenigen, die noch schnell einmal eine richtig schöne Fernreise erleben wollen, bevor das am Ende gar verboten oder völlig unleistbar wird, begibt sich die Politik nun in Sommerpause, ungeachtet der Tatsache, dass diese nur genossen werden kann, wenn a) das Einkommen stimmt und b) die Klimaanlage funktioniert. Von einer realen Klimaanlage, einer sinnvollen Investition ins Klima, könnte man hingegen sprechen, wenn der öffentliche Verkehr endlich ausgebaut und der Gütertransport auf die Schiene verlagert würde. Darüber wird, wenn überhaupt, nur mit Verspätung und außerordentlich schleppend diskutiert.
More oft the same in der Frauenpolitik. Eine Investition ins gesellschaftliche Klima wäre der Ausbau der flächendeckenden Kinderbetreuung. Da das nicht klappt, versucht man es nun mit Verhütungsmittelfreigabe, also Gratispille? Nicht in echt. Wir reden und schreiben nur drüber, damit Aktion vorgetäuscht wird. Denn: Schwangerschaftsabbruch bleibt nach wie vor ein Strafdelikt und keineswegs eine Ermessensfrage jener, die meinen: Mein Körper gehört mir. Dass Frau-Sein einer teuer zu stehen kommt, erfährt unsereins in jeder Lebensdekade: In unseren ersten 10 Lebensjahren sozialisiert uns das System nach wie vor rosarot und himmelblau. In der zweiten Dekade strengen wir uns gewaltig an, spielen Fußball, Klavier und Barbie und bringen die besseren Schulabschlüsse. In Dekade drei verdient der Staat in jedem nur erdenklichen Fall an unserer Fertilität. Zwischen 40 und 50 frisst uns entweder die Familie oder eine, um ein Drittel minderbezahlte, Arbeit auf. Von 50 bis 60 versuchen wir Anschluss zu finden, an neue Partner, Pensionszeiten oder sinnstiftende berufliche Umorientierung. Dekade sechs zeichnet sich für viele von uns wieder durch Pflegeverpflichtungen aus. Wir pflegen die Eltern, die Schwiegereltern, auch oft hauptberuflich und unterbezahlt. Zwischen 70 und 80 erleben wir mehrheitlich, was Altersarmut, Altersdiskriminierung und Alterseinsamkeit bedeuten. Wer tatsächlich 80 oder älter wird, muss sich vorwerfen lassen, dass sie ihren Partner überlebt hat und nun dem System auf der Tasche liegt. Das alles verkauft uns die Politik als Wahlfreiheit, die Frauen ohnehin schon seit Jahrzehnten genießen und nimmt dieses Argument als Rechtfertigung dafür, Frauen-Startups ebenso wie Sozialarbeit weiterhin nur marginal zu fördern. Feminismus bleibt, durch die Verweigerung jeglicher dauerhaften Finanzierung von Fraueneinrichtungen, lahm und ungelenk, immer in den Kinderschuhen. Feministinnen gibt es ja ohnehin nicht, wie Sand am Meer. Oder fällt ihnen außer Alice Schwarzer noch eine ein? Ein gewollter Feministinnen-Engpass! Egal. Feminismus ist und bleibt, im Gegensatz zu Rammstein und dem patriarchal organisierten Kunst- und Kulturbetrieb unserer Tage, Sand im Getriebe einer sich rasant entwickelnden europäischen Demokratie.
Spanien macht vor, was eine Gleichbehandlungsministerin bewegen kann.
Irene Montero, die spanische Gleichbehandlungsministerin seit 2020, ist die Stimme für LGBTQA- AktivistInnen. Sie macht klar, dass Feminismus für alle da ist. Für uns alle. Feminismus ist die Stimme gegen soziale Ungerechtigkeiten.
Der Gesetzesantrag zur freien Geschlechterwahl ab 16 ist in Spanien beschlossen. Das Recht auf arbeitsfreie Tage bei starken Menstruationsbeschwerden ist spanienweit bewilligt. Das sind europäische Meilensteine in Sachen Gleichstellungspolitik.
Tatsächlich hat die ganze europäische Bevölkerung ein Problem: nämlich ein Gewaltproblem. Diesmal meine ich nicht die Femizide, die zur grauenvollen Realität unseres Alltags gehören. Für gewisse Formen der Gewalt finden wir, ohne uns das zu vergegenwärtigen, Rechtfertigungen. So kommt es, dass in unserem Unterbewusstsein bestimmte Handlungsweisen schon so sehr verinnerlicht sind, dass wir selbst gar nicht bemerken, wie tolerant wir zum Beispiel toxischer Männlichkeit gegenüber sind.
Wir tolerieren Männer, die uns kontrollieren, die uns einschränken, die unsere Freiheit beschneiden, die uns schlecht behandeln, die unsere erbrachten Leistungen überhaupt nicht zu schätzen wissen. Wir finden Ausreden. Männer, die SMS Nachrichten und E-Mails auf den Handys ihrer Frauen lesen, Männer, die Frauen nicht erlauben, sich mit ihren Freundinnen zu treffen, Männer, die ihre Partnerinnen in jeder Beziehung kurzhalten, erleben wir oft als besorgte, wenn nicht sogar fürsorgliche Freunde. Wir rechtfertigen ihre Übergriffigkeiten. Männer, die Unterhalt für ihre Kinder bezahlen, bewundern wir, während wir Frauen, die ganztags arbeiten, um ihren Kindern einen gewissen Lebensstandard zu bieten, für karrieregeil oder für Rabenmütter halten. Frauen, die geschlagen oder vergewaltigt werden, haben sicher auch selbst schuld, denken wir. Mit dieser Einstellung tun wir uns auch selbst Gewalt an. Dazu sagen wir StoP. Stoppt Partnergewalt, so heißt ein österreichweites Projekt, das derzeit in 25 Frauenberatungsstellen umgesetzt wird. Leibnitz ist eine davon.
Wichtig sind Politikerinnen in der Öffentlichkeit, die aufzeigen, dass alle dieselben Rechte haben müssen. Wichtig sind Einrichtungen, die für sie Frauen da sind. Wichtig sind Sie und Ihre Unterstützung für diese Anliegen, die unser aller Anliegen sein müssen. Stoppt das Schweigen über Gewalt, und reden wir darüber. Täglich und mit allen Menschen, die uns begegnen.
Ich will eine Künstlerin sein, eine Schriftstellerin! Sie sagt das, sitzt neben mir und sieht mich herausfordernd an. Was kann man wollen? Was kann man sein? Was kann frau wollen, und wie kann sie es sein? Ist es im Alter leichter, etwas zu wollen oder zu sein?
Tausend Fragen tun sich mir auf, im nebelumwaberten Demmerkogelhaus. Im Laufe der Jahre ändert sich alles. Im Laufe der Jahrtausende ändert sich nichts. Der Weltenlauf bleibt immer derselbe. Junge Frauen erleiden, was alle jungen Frauen vor ihnen erlitten haben. Alternde Frauen fürchten, was alle alternden Frauen vor ihnen befürchtet haben.
Ich brauche eine Bühne. Ich will spielen. Das Theater in mir muss heraus, muss sichtbar werden. Die Angst, stumm zu bleiben. Die Furcht, die Gelegenheit zum großen Auftritt nicht mehr zu bekommen. Das Bangen, nie mehr wieder Lampenfieber zu haben. Das ist unser Weg, der sich zwischen Möglichkeiten und Gelegenheiten schlängelt. Immer mehrere Möglichkeiten, ungenutzte Gelegenheiten, verkannte Früchte einer Erkenntnis, die wir nicht ersehnten. Die paradiesische Schlange züngelt uns an. Lispelt: Es läuft etwas schief! Dann merkst du, dass etwas mit dir nicht stimmt. Es ist nicht stimmig. Du stimmst nicht. Dir fehlt die Stimme. Es ist vorbei. Es ist aus. Das ist das Ende.
Und doch ist da ein Funke. Sie facht das erloschene Feuer im Herd wieder an, schiebt Asche mit einem Holzspan zur Seite, gibt fein gehobeltes Gut auf die verletzliche Glut. Sie bläst zuerst vorsichtig, dann heftiger. Wir sind die Glut, und sie facht uns an. Ein Knistern. Ein Staunen. Es gelingt.
In der Glut schlummert das Feuer. Die Künstlerin schlummert in mir. Es ist ein archaisches Ritual, in der Asche zu graben, nach Resten zu suchen, das Glühen zu erkennen und es – trotz aller Widrigkeiten – zum Glimmen, zum Leuchten, zum Brennen zu bringen.
Du bist das Feuer, das du in dir fühlst. Du bist die Schreiberin, die gewaltige Wortzauberin, die Schamanin des Nonsens und der Sinnhaftigkeiten. Die feinfühlige Künstlerin, die wutentbrannte Schriftstellerin.
„Lieber zerfranst es mich …“ heißt das Hörspiel von Manuela Tomic, die vor lauter Anpassung sogar auf das Hatschek bei ihrem Namen verzichtet. Hat jemand schon von ihr gehört? Nein, wohl die wenigsten.
Kein Wunder, denn wer sich anpasst und anpasst und anpasst, verschwindet in der Menge. Geht auf im großen Ganzen. Verliert sich. Unsere Geschichtsschreibung aber interessiert sich nicht nur für kapitalistischen Drive und territoriale Eroberungen, für Atomwaffen und Bodenschätze, nein sie ist darüber hinaus ganz geil auf diejenigen, die selbst herausragend unique, andere zur Anpassung zwingen. Je mehr du bezwingen kannst, desto profitträchtiger bist du nämlich. Im Gegensatz zur Disziplin Anpassung, in der wir Frauen es zu Spitzenleistungen gebracht haben, sind Frauen in der Disziplin Bezwingung ganz schlecht. Hohes Anpassungspotenial, bei approximativ null Bezwingungsenergie.
Der Tag, als meine Identität zum Versteckspiel wurde, lautete der Titel von Frau Tomics Essay, vor ein paar Monaten in der Zeitung. Auf dem Titelblatt derselben prangt das 1:1 gegen Frankreich, das unsere großen Söhne, die Töchter mitmeinend, aber in der Bundeshymne zu Beginn des Spiels beharrlich nicht singend, errungen haben. Unter deutscher Führung feiert unser Nationalteam endlich wieder Erfolge. Es will den Sieg. Die erste Doppelseite der Samstagszeitung gehört einer Philosophin. Und: Über welches Thema könnte eine Frau, eine Migrantin, wohl besser philosophieren, als über Anpassung.
Nicht nur Frau Tomic, auch wir sehen allenthalben Ukrainerinnen. Am Land nicht gar so viele wie in den Städten, aber wir haben eine gewisse Sensibilität dafür entwickelt, wer Unkrainerin sein könnte. Wir haben unseren Blick an die Berichterstattung der Medien angepasst.
Liesmann, der Vordenker der Nation, fragt sich ernsthaft, ob man etwas gegen Migranten und Zuzug haben darf, jetzt wo die EU sogar, nach schier endlosen Bemühungen, zu einem europäischen Verteilungsschlüssel gefunden hat. Aber lassen wir Liesmann rechts liegen! Er ist nur einer von vielen, die das Anpassen sicher nicht nötig haben. Ein genialer Typ! Von bezwingender Logik. Quasi omnipräsent. Sich ständig auf renommierte Taxonomisten von historischem oder literarischem Wert berufend. Abgesichert in der patriarchalen Seilschaft.
Die eigene Identität als Versteckspiel. Ist das noch Existentialismus, frage ich mich nach drei Tagen mit Camus, dem Hund meiner Tochter, oder steckt dahinter schon ein Streben nach Transzendenz?
Man will ja arbeiten, sucht Arbeit, um die eigene Existenz zu bestreiten, so viel steht fest. Menschen in den unteren Einkommenssegmenten arbeiten nicht, um sich selbst zu verwirklichen, sondern um den Alltag zu finanzieren. Lebenshaltungskosten zählen. Unbezahlte Frauenarbeit hingegen wird, der öffentlichen Wahrnehmung nach, zur weiblichen Selbstverwirklichung verrichtet. Ja. Das nehmen sich die Frauen unserer Tage eben heraus. Wozu hat man schließlich Kinder? Kinder, Familie, Haus und Garten, Hund und Katz, Oma und Opa, sie verdienen unsere Wertschätzung. Klartext: Das sind die, für die wir selbstverständlich vorrangig und gern entlohnungsbar alles tun.
Du lebst deine basissozialisierte Identität, tauschst vielleicht deinen Namen, sicher aber deinen Rahmen und schwups, schon bist du Ehefrau, Mutter, Schwiegertochter, Hegende und Pflegende. Ausradiert die begabte Pflichtschulgöre, die freche Maturantin, die kluge Bacheloranwärterin, die zukunftsorientierte Masterstudentin. So leicht, wie dein Namen seinen Hatschek verliert, lässt du deinen vollen Kühlschrank zu Hause zurück, in Sarajevo, in Kiew, in irgendwo. So leicht und beiläufig rutschst du in ein Etwas, in dem plötzlich nur mehr eines zählt: die Anpassung. Du bist ein fähiges Mädchen, kannst auch das und bist stolz darauf. Weil ich ein Mädchen bin, singt Lucilectric und beschreibt, wie du mit femininen Waffen die Welt dazu zwingst, dich zu entwerten. Frauen bezwingen natürlich auch, aber in erster Linie sich selbst. Schrei laut: Ich bin nichts wert, aber ich will arbeiten, Kinder kriegen und zum System gehören! Sollte dich jemand fragen warum, dann hast du natürlich eine Antwort: Die eine Antwort: Alles für die Liebe.
Also doch Transzendenz, nix mit Existenzialismus. Das ist der namenlose Grenzübertritt, den Frau Tomic beschreibt. Daher kommt das mulmige Gefühl. Wir müssen über den Styx.
Du möchtest arbeiten. Es ist in unserem Jahrhundert ganz normal, dass jede Frau auch eine Karriere hat, ob sie will oder nicht. Ein eigenes Konto, einen online-Finanzamt-Zugang. Frauen sind vollkommen gleichberechtigt bei uns, wer würde das abstreiten. Was sie aus dieser Gleichberechtigung machen? Nächste Frage. Frauensolidarität? Führt uns wieder in die Transzendenz.
Frau Tomic beschreibt auch ihre Flucht in die öffentliche Bibliothek, wo sie gerne liest. Dort kann sie sein, wer sie ist. Die Autoren, die sie zitiert sind allesamt Männer. Unangepasste Männer natürlich, sonst wären sie ja nicht berühmt geworden. Wer oder was hat sie berühmt gemacht und wird verhindern, dass Frau Tomic oder ich berühmt werden? Ist das eine berechtigte, eine nebensächliche, eine politische oder eine existenzielle Frage? Nein! Bitte keine Transzendenz! Ich lebe noch. Und Frau Tomic auch.
Wem der Schuh passt, sagt Liesmann. Auch die Philosophie hat es nicht weit gebracht im nicht mehr so neuen Jahrhundert. Ziemlich angep*sst.