Tag: Frauen

Sexismus ist Betrug an der Mehrheit

Sexismus ist abzulehnen, darüber ist man sich spätestens seit #metoo einig. Die Tiroler Studie, deren Ergebnisse dieser Tage veröffentlicht wurden, beleget, dass im Durchschnitt 75% der Frauen angaben, von Sexismus betroffen (gewesen) zu sein. Das zeichnet ein widerwärtiges Sittenbild unserer Gesellschaft. Wenn wir uns vor Augen halten, dass 52% der Bevölkerung Frauen sind, denen von klein auf beigebracht wird, dass Männer und Frauen, vielmehr alle Geschlechter, gleichwertig sind und dieselben Rechte haben, ist das Betrug an der Mehrheit. Menschenrechte nämlich gelten für alle. Es handelt sich keineswegs nur um mangelnde Sensibilität, wenn ich mich einer bestimmten Personengruppe gegenüber nicht zu benehmen weiß. Egal ob anzügliche Witze, unangebrachte Kommentare zur Körperlichkeit oder andere physische oder psychische Übergriffe, niemand hat das Recht, seine Mitmenschen zu peinigen oder zu erniedrigen. Ein grundlegendes Problem stellen antiquierte Rollenmuster dar, die wir in Österreich auch im 21. Jahrhundert noch immer nicht überwunden haben. Was ist also Sexismus, und wie können wir ihn erkennen? Im Report vorvoriger Woche gab es einen Beitrag zur Bundespräsidentenwahl, der sich – wie wir alle wissen – keine Frau stellt. Es wäre doch eine gesellschaftspolitisch hoch interessante Frage, wie es kommt, dass es zwar viele Kandidaten, aber keine einzige Kandidatin gibt. Ein Reporter befragt im TV-Beitrag Menschen auf einem Sommerfest. Die Männer werden gefragt, ob sie Vertrauen in das Amt des Bundespräsidenten haben und ob sie überhaupt zu Wahl gehen werden. Eine Frau wird gefragt, ob es sie denn störe, dass es keine weibliche Kandidatin gebe. Ist es nicht seltsam, dass schon die Fragestellung suggeriert, Männer wüssten besser über die Kompetenzen und Sinnhaftigkeit eines Amtes Bescheid als Frauen? Es kommt aber noch viel schlimmer. Die Antwort der Frau ist, es störe sie nicht, denn Männer seine eben viel umgänglicher.

Natürlich kann das ihre Meinung sein. Unbenommen. Die Frage aber ist: Warum zeigt uns der ORF diese Interviews?

Stellen wir uns vor zu einem Thema werden schwarze und weiße Menschen befragt, es geht um eine Führungsposition, um die sich zufällig lauter Weiße beworben haben. Dann werden mehrere Menschen um ihre Meinung zur Führungsposition gefragt. Neben fünf Weißen, fragt man auch einen Schwarzen. Den fragt man aber nicht nach der Sinnhaftigkeit der Führungsposition, sondern man fragt ihn: Stört es Sie, dass sich nur Weiße um diese Führungsposition bewerben?

Der Schwarze gibt zur Antwort: Nein, das stört mich nicht, denn Weiße sind viel umgänglicher.

Der ORF hätte nicht zweimal überlegt und dieses Interview ausgesiebt, wie viele andere bei allen ähnlichen Befragungen sonst auch.

Dieses Denkbeispiel zeigt uns, dass die Sensibilität in Geschlechtergleichstellungsfragen sehr zu wünschen übrig lässt. Wenn Frauen für die gleiche Arbeit weniger verdienen und einen Großteil der Care Arbeit in Familien und außerhalb leisten, spricht niemand von Rassismus. Tatsache aber ist, dass schon John Lennon 1972 erkannt und veröffentlicht hat: Woman is the Nigger oft he World.

Und das wird auch so bleiben, wenn uns öffentlich anerkannte Bildungseinrichtungen und Medien die patriarchale Männlichkeit weiterhin als normal verkaufen und zu deren Absicherung immer wieder auch ein paar Frauen zu Wort kommen lassen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, mit den Mächtigen solidarisieren und öffentlich ausrufen: „Mein Gott! Die armen Männer! Diese verbitterten Emanzen hacken immer wie Furien auf ihnen herum. Also ich habe nichts gegen Männer. Im Gegenteil, ich liebe sie!“

Dann ist die Welt wieder in Ordnung, und alles bleibt, wie es ist.

Abstand, bitte!

In Zeiten wie diesen dreht sich alles um Abstand. In den Sommergesprächen nehmen Politiker Abstand von den Versprechungen, die sie uns einmal gemacht haben. Das tun sie nicht, weil sie per se unzuverlässig sind, sondern sie changieren, weil die Zeit und die Umstände es gebieten. Der Anstand aber soll jedenfalls gewahrt bleiben. Der Draht zum Bürger und zur Bürgerin wird mit Feuerschalen und ähnlichem Kulissenhokuspokus heraufbeschworen.

Auch Eltern suchen liebevoll aber bestimmt Abstand von ihren Kindern, die ihnen dermaßen auf die Pelle gerückt sind, dass in der Freizeit sogar Wandern schöner ist, als den Start der Kinder ins neue Schuljahr zu planen. Alles, nur haltet uns die Schule vom Leib! Wer soll sich da noch auskennen. Jetzt, wo sich herausstellt, dass doch nicht nur die Alten an dem Virus sterben und Bildung sowieso nur vererbt ist, wird Homeschooling zum neuen Daydream. Albtraum. Wir belehren die Jungen. Wir belehren die Alten. Dabei wollten wir doch nur maximal ein paar Stunden pro Tag Beziehungspflege betreiben. Alle vierzehn Tage ein Wochenende, oder so. Plötzlich geht das nicht mehr?

Größer wird auch der Abstand zur Null auf dem Girokonto, denn die Lohnzahlungen, die entweder ganz oder doch nur etwas geringer ausgefallen sind in den letzten Monaten, können die Gaps am Konto nicht mehr abdecken. Im Überprüfen der immer größer werdenden Lücken bin ich draufgekommen, dass über meine Kreditkarten seit Jahren monatlich kleinere Beträge abgebucht werden, ohne dass es mir jemals aufgefallen wäre. Fahrlässig?

Ein sehr lieber Freund hat mich des Öftern vor solchen und ähnlichen Internetbetrügereien gewarnt, aber ich hielt ihn für paranoid. Er war der einzige Mensch, der schon vor Corona in Angst und Schrecken lebte. Er wusste, dass etwas Fürchterliches passieren wird, die Liebe uns nur trügt und wir alle dem Untergang geweiht sind. Auf seine Art hat er ja auch Recht behalten. Er befürchtet übrigens nach wie vor das Schlimmste.

Auf der Suche nach Abstand habe ich begonnen, recht viel Belletristik zu lesen, denn in Romanen und im erzählten Leben von real nicht existierenden Dritten, findet man sich leichter zurecht als in der aus den Fugen und über den Kontorahmen geratenen Abfolge von Tagen, in der ich feststelle, dass alles anders geworden ist. Nicht vielleicht plötzlich oder wegen Corona. Alles was ist, hätte sich wahrscheinlich auch ohne Corona ganz anders entwickelt als geplant. Und so nehme ich von meinen Zukunftsplänen Abstand, Abstand von meiner regelmäßigen unselbständigen Erwerbstätigkeit, Abstand von meinem Ersparten, denn das schmolz schon im Frühjahr dahin: Wie gewonnen, so zerronnen. Abstand von all meinen Versprechungen. Abstand von mir selbst.

Und um Abstand von meinen regelmäßig entsetzlichen Silvesterfeiern zu nehmen, greife ich beherzt zu, als mir auf der Flucht Julie Zehs Buch „Neujahr“ in die Hände fällt.

Mein Freund liest es auch und findet es zu lang. Die Story hätte man auf einem Viertel der Seiten erzählen können. Da mag er Recht haben. Die meisten Menschen könnten einem Tag nicht mehr abgewinnen, wenn er nur sieben Stunden hätte. Mit einem Viertel unserer Lebenszeit würden wir wahrscheinlich auch auskommen, um zu hinterlassen, was wir hinterlassen. Sei´s drum. Wer kommt schon gern mit einem Bruchteil aus?

Silvesterabend und Neujahrsmorgen verringern ihren Abstand, was mir Übelkeit, Nausea, verursacht. Ich bin schon richtig seekrank von der Dauerschleife, vom ewig sich wiederholenden Silvesterfeuerwerk und dem Wunsch danach, endlich ein neues Jahr und damit nicht weniger als ein neues Leben zu beginnen. Aber gewöhnlich bahnt sich in den Tagen zwischen Weihnachten und dem letzten Dezember eine schlingernde Weltuntergangsstimmung an. Wer an Flucht denkt, hat schon verloren. Wird mir diesmal der Himmel auf den Kopf fallen?

Nun fällt mir im Juli in Darmstadt die Julie Zeh in die Hände. Ein Omen! Diesmal bereite ich mich auf einen besseren Jahreswechsel vor, auf einen, der wirklich was verändert und mich nicht nur niederstreckt. Auf einen ohne nervösen Durchfall.

Julie Zeh schreibt über einen Mann. Traurig eigentlich, dass Männer fast immer über Männer schreiben, während Frauen fast ebenso immer über Männer schreiben und selbst Frauenliteratur sich hauptsächlich damit beschäftigt, was an den Frauen so langweilig ist, dass man Bücher über sie feministische Literatur nennen muss. Im Interview mit der Berliner Schaubühnenlegende Elke Petri in der jüngsten Ausgabe von Die Feministin in Leibnitz und der Piefke in Triest, kommen wir auch darauf zu sprechen: Warum gibt es so wenige große Schauspielerinnen? Weil es so selten große Frauenrollen gibt. Warum gibt es die so selten? Weil niemand Rollen für Frauen schreibt und die Frauen, die spielen könnten, bekommen ohnehin keine guten Verträge, wenn sie Kinder haben. Aber da sind wir Frauen halt aber auch ganz selber Schuld, denn wir sind es ja, die sich für Kinder entscheiden.

Mein Schwager hat immer gesagt: Frausein ist ein Gendefekt.

Und mein Freund sagt: Wieso jammerst du immer? In den letzten hundert Jahren hat sich doch total viel zum Positiven für die Frauen verändert.

Ja. Für mich zum Beispiel. Denn ich wurde gleichberechtigt in den Sechzigern des vorigen Jahrhunderts geboren und kann mich noch gut erinnern, wie ich beim Abwasch, es muss Mitte der Achtziger gewesen sein, mit meiner Mutter lautstark darüber diskutiert habe, ob Emanzipation und eine Frauenbewegung notwendig sind. Mein Vater und meine Brüder haben derweilen im Garten Schach gespielt und geraucht. Wenn sich nicht schon so viel geändert hätte, wäre es uns wahrscheinlich untersagt gewesen, unsere Angelegenheiten mit lauter Stimme zu besprechen. Damals war ich noch überzeugt davon, dass es zum weltpolitischen Konsens gehört, dass Frauenrechte Menschenrechte sind.

Auch das Schachspielen und das Rauchen haben mich schließlich nicht weitergebracht. Was ich wirklich erreicht habe und zur Nachhaltigkeit beitragen kann ist, dass meine Kinder ganz vehement sagen: Nein, danke! Kinder will ich keine.

Logisch, sie kennen nur Eltern, die unter ihren Kindern leiden und das wird jetzt, mit dem ganzen Homeschooling noch einmal virulenter. Niemand wünscht sich das, was die eigene Mutter erlebt hat, 24/7 durchzumachen.

Also nehme ich Abstand von meiner Familie und lese Julie Zeh. Die AkteurInnen des Romans machen Urlaub auf Lanzarote. Wie Henning, der gehetzte Hauptdarsteller, versuche ich falsche Gedanken zu vermeiden. Ein Rückblende auf ein Ereignis in seiner Kindheit wird mit der ausführlichen Beschreibung der körperlichen Anstrengungen beim Radfahren herbeigestrampelt und peinlich genau ausgeführt, bis jede Faser wehtut. Wer sich dafür interessiert, woran sich Kinder erinnern und was Erwachsene ihren Kindern erzählen, damit sie später einmal zu den Eltern werden, die sie sind, ist mit diesem Buch gut aufgehoben. Wo Angststörungen und Panikattacken herkommen, klingt durch.

Wer keine Kinder hat, sich eher für Tierschutz oder Feuerwehrfeste ins Zeug legt, wird das Buch nicht unbedingt interessant finden, da primäre Bedürfnisse und die Sehnsucht nach der Geborgenheit des Ichs im Du im Vordergrund stehen.

Ich will nicht mehr verraten, als dass es mir sehr gefallen hat und Abstand nehmen von weiteren Spoilern. Lest selbst und schreibt mir, wie ihr es findet, oder was euch dazu einfällt!

Bescheuert gesteuert

Wir klatschen für euch, wenn ihr blutet.

Mit Bezugnahme auf den Blog von Viva la Vulva “Bescheuert besteuert” ist es nun an mir, mich einzubringen. Und da blutet das Herz so richtig!

Keine steuerliche Ermäßigung auf Monatshygieneartikel in Österreich! Das hat die Regierung beschlossen. Als ob sich das eine aussuchen könnte, ob sie nun bluten will oder nicht. Ob sie im Monat nur ein paar Tage blutet und ihr dabei übel ist, oder ob sie blutet, als gäbe es kein Halten mehr und sich dabei selbst nicht mehr spürt, alles belanglos. Frau ohne finanzielle Mittel behilft sich: mit Papiertaschentüchern, mit Klopapier, mit Windelstücken, mit Tennissocken. Mit Aspirin, mit extra verschriebenen Medikamenten, mit allem, was die Hausapotheke hergibt, mit Alkohol, mit Wechseltee, mit einfach Hinlegen und Warten bis es vorbei ist. Da gibt es unzählige Möglichkeiten, die den Selbstwert der potentiellen o.b. und Nestle-Userinnen unter Null senken. Und genau darum geht es: um Wert und Selbstwert. Wenn wir niemandem anderen mehr etwas Wert sind, warum sollten wir uns dann selbst noch was Wert sein? Jede Kinderjause, jedes Kloputzmittel ist wichtiger – und dafür geben wir unser Geld aus. Auch wenn es uns für die luxusflauschigen Slipeinlagen, um die uns jeder Mann beneidet, dann fehlt.

Hohlweg: Da musst du durch!

Dennoch, lasst uns nicht aus den Augen verlieren: Das ist so gewollt. Denn für die wirklich wichtigen Dinge ist Geld da. Wenn wir aus Corona nichts gelernt haben, aber das sollten wir nicht vergessen: Wo ein Wille (der Regierung) ist, da ist auch ein Weg. Alles ist möglich, von der Ausgangsbeschränkung bis zur Maskenpflicht, von der 14tägigen Zwangsquarantäne bis zum Verbot von höchst privatem Zärtlichkeitsaustausch. Nur eines ist nicht möglich: Monatshygiene-Besteuerung zu senken oder Damenbinden und Tampons an jene auszugeben, die ihr Geld für andere Dinge schon ausgegeben haben bzw. überhaupt keines hatten.

Sonnenblume. Wende dein Gesicht der Sonne zu und kränk dich nicht!

Wie flächendeckende Kinderbetreuung oder ganz allgemein die Integration von Frauen und Kindern in eine gleichberechtigte Gesellschaft, so bleibt auch kostengünstige Monatshygiene ein Wunschtraum. Uns wird vorgegaukelt, dass man in unserem Sinne daran arbeitet. Macht schon mal euren Urlaub in Österreich! Organisiert eure Kinderbetreuung ruhig weiterhin selbst! Wir klatschen für euch, wenn ihr blutet.

Sulm: Das Leben ist ein Fluss. Let it flow, Baby!

Super Weihnachtsüberraschung!

Das Christkind hat mir eine Homepage gebracht!

Danke, Sofia!!

Poesiefestival in Moscenizka Draga