Tag: #igfem

Fleisch

Ich schneide ins Fleisch

In der Hand von komplizenhaften Seilschaften

schneide ich das Fleisch,

pflege die Räume für die Brut,

lese ihre Bücher,

kämme das Arsen,

das man mir verabreicht, wie

einem Ross vor dem Rennen.

Die Treibjagd auf die Journalistin

schlägt auch im feministischen Biotop Wellen.

Der hegemoniale Tratsch will es,

dass immer Zwei dazu gehören.

In der Hand von komplizenhaften Ewigpubertierenden,

schneide ich das Fleisch,

binde die Brühe,

poliere mein Zaumzeug,

versorge alle gut und mich leidlich,

leg mich in gemachte Betten,

aus denen ich geteert und gefedert,

wieder aufstehe

und weiterschneide,

in das Fleisch der perfiden Jäger.

Als ich nicht schlief

Als ich eines Nachts nicht schlief,

ging ich durch alle unsere Räume

mit dem waidwunden Blick

vom bald schon letzten Mal.

Jedes Detail war mir so lieb.

Der Sprung im Glas der Lampe,

die Krumen auf dem Tisch,

das Geschirr vom letzten Abend,

in der Spüle unsere Weingläser.

Dein ruhiger Atem drinnen,

aus dem ich heraustrat

und auf das schwarze Meer sah.

Es nickte mir Mut zu.

Ein allerletztes Mal.

Es zipft mi aun, waun …

Es zipft mi aun,

waun

i net bin, wer i bin.

Waun i spinn.

Waun i umadruck und owaschluck

wias ma geht

wals net grod zum Besten mit uns steht.

Wal owa Weihnochtn is

und i den Weihnochtsfriedn

doch des gaunze Joah üba vamiss,

holt i zur Stund

liaba mein Mund,

wal dia sunst am End wida

ane auskumman kunnt.

Es zipft mi aun,

waun

i scho was,

wia des weida geht mit dem Schas.

Wal es is net gnua, dass i olls tua

von in da fruah

bis spät in di nocht.

Wal wauns daun krocht,

wors trotzdem mei Schuld.

Wal di Geduld hot a amol a End.

Und wal i so bled bin

föhln ma just jetzt, zu Weihnochtn,

vuan zwa Zähnt.

Es hot mi, wia ma so sogt:

full darennt.

Wal grod zu Weihnochtn,

wenn alle Fotos mochn

und verschicken,

muast du ma ane picken.

Es zipft mi aun,

waun

unterm Christbam dann olle bled schaun.

Wal mia sitzen jo trotzdem zam und hom a Freid

an di Kerznan und am Schnops.

Und i was jo, dass as di reit.

Jo, sicha es tuat da lad vor die Leit.

Sogoa zu ana Entschuldigung warast bereit,

zu dera weihnochtlichn Zeit.

Owa vorigs Joah, mitn blaun Aug

hob i wenigstns die Weihnachtsbrötchen vom Spar beißn meign.

Heit geh i hungrig ham und ohne Geschenke.

Gott sei Dank worn wenigstens die Getränke

reichlich vorhaundn

I hob nur net vastaundn,

warum mei Muatta jetzt

im Sigmund Freud obgsondat sein muas.

Weihnachtn ohne ihra, ohne an Gruas?

Es zipft mi aun,

woun

da Foda ihra grod einweisn losst

zu di Feiatäig,

wou er dei Famülienfeiern doch so hosst.

Na guad. Die Brötchen hot er vuriges Joah jo a scho bschtöllt.

Wal letzts Joah hom meina Muatta die Zähnt vuan gföhlt.

Patriarchat im Krisenmodus

Seit dem Tod der 22-jährigen Masha Amini herrscht Aufruhr im Iran. Wir konnten beobachten, was nach einem Femizid abläuft. Der Schock erfasst das unmittelbare Umfeld, und dann bemüht man sich erst einmal das Geschehene zu verharmlosen und die Schuld dem Opfer in die Schuhe zu schieben. Masha Amini war selber schuld, denn die staatliche Sittenpolizei, ist nur deshalb eingeschritten, weil sich die junge Frau falsch verhalten hat. Das Leben der ungehorsamen Frauen ist – selbst im 21. Jahrhundert – unwertes Leben. Um ihren Gehorsam zu zeigen, verhüllen Frauen im Iran ihren Körper und ihr Haar. Damit bekunden sie öffentlich, dass sie sich mit Religion, Staat und Scharia identifizieren.

Nun zeigen Menschen weltweit ihre Solidarität, unter anderem indem sie sich vor laufenden Kameras die Haare abschneiden.

Was muss passieren, dass Frauen auf die Barrikaden steigen? Allein 24 Femizide gab es heuer schon in Österreich. Das Budget zum Gewaltschutz wird aufgestockt. Aber sonst? Egal, wie viele Frauen keine Kinderbetreuung für ihre Kleinkinder haben und daher nicht arbeiten, nicht autonom sein können. Egal wie groß der Gender-Pay-Gap nach wie vor ist. Egal, wie vielen Frauen bekannterweise schadhafte Verhütungsspiralen eingesetzt wurden – und hier bekommt das Wort Gewalt-Spirale eine ganz neue, noch menschenverachtendere Bedeutung. Egal wie viele Frauen ihre gesamte Freizeit mit unbezahlter familiärer Care-Arbeit verbringen. Sie nehmen es in Kauf, um ihren Gehorsam zu zeigen, um ihren Beitrag zu leisten. Unsere Töchter werden dieses österreichische System forttragen, wie die Frauen es in den letzten Jahrzehnten im Iran mit der Macht der Mullahs taten. Unter dem Deckmantel einer verschrobenen Moral und scheinbar zum Wohle der Familien, der Gesellschaft, lassen Frauen sich weltweit knechten und sind doch, dort wie da, selber schuld. Victim Blaming, die erniedrigte Frau, die noch mehr gedemütigt werden muss, sollte sie es wagen, etwas Gewalt zu nennen, von dem die Weltwirtschaft profitiert. Kämpfende Frauen sind ein No-Go.

Die Revolution im Iran entstand erst, als Menschen das Fehlverhalten Masha Aminis als heldenhafte Tat würdigten, sich mit ihr und allen anderen unterdrückten Frauen solidarisierten und sich gegen die Staatsmacht wandten. Seite an Seite kämpfen nun vor allem junge Leute gegen ein übermächtiges, von ökonomischen und patriarchalen Interessen getragenes Staatswesen. Feminismus heißt, sich für Gleichberechtigung aktiv einzusetzen, so dass himmelschreiende Ungerechtigkeiten nicht mehr geschehen können. In Österreich hieße das, sich öffentlichkeitswirksam feministisch zu positionieren. Aber wer hat dazu schon den Mut?

Angep*sst

„Lieber zerfranst es mich …“ heißt das Hörspiel von Manuela Tomic, die vor lauter Anpassung sogar auf das Hatschek bei ihrem Namen verzichtet. Hat jemand schon von ihr gehört? Nein, wohl die wenigsten.

Kein Wunder, denn wer sich anpasst und anpasst und anpasst, verschwindet in der Menge. Geht auf im großen Ganzen. Verliert sich. Unsere Geschichtsschreibung aber interessiert sich nicht nur für kapitalistischen Drive und territoriale Eroberungen, für Atomwaffen und Bodenschätze, nein sie ist darüber hinaus ganz geil auf diejenigen, die selbst herausragend unique, andere zur Anpassung zwingen. Je mehr du bezwingen kannst, desto profitträchtiger bist du nämlich. Im Gegensatz zur Disziplin Anpassung, in der wir Frauen es zu Spitzenleistungen gebracht haben, sind Frauen in der Disziplin Bezwingung ganz schlecht. Hohes Anpassungspotenial, bei approximativ null Bezwingungsenergie.

Der Tag, als meine Identität zum Versteckspiel wurde, lautete der Titel von Frau Tomics Essay, vor ein paar Monaten in der Zeitung. Auf dem Titelblatt derselben prangt das 1:1 gegen Frankreich, das unsere großen Söhne, die Töchter mitmeinend, aber in der Bundeshymne zu Beginn des Spiels beharrlich nicht singend, errungen haben. Unter deutscher Führung feiert unser Nationalteam endlich wieder Erfolge. Es will den Sieg. Die erste Doppelseite der Samstagszeitung gehört einer Philosophin. Und: Über welches Thema könnte eine Frau, eine Migrantin, wohl besser philosophieren, als über Anpassung.

Nicht nur Frau Tomic, auch wir sehen allenthalben Ukrainerinnen. Am Land nicht gar so viele wie in den Städten, aber wir haben eine gewisse Sensibilität dafür entwickelt, wer Unkrainerin sein könnte. Wir haben unseren Blick an die Berichterstattung der Medien angepasst.

Liesmann, der Vordenker der Nation, fragt sich ernsthaft, ob man etwas gegen Migranten und Zuzug haben darf, jetzt wo die EU sogar, nach schier endlosen Bemühungen, zu einem europäischen Verteilungsschlüssel gefunden hat. Aber lassen wir Liesmann rechts liegen! Er ist nur einer von vielen, die das Anpassen sicher nicht nötig haben. Ein genialer Typ! Von bezwingender Logik. Quasi omnipräsent. Sich ständig auf renommierte Taxonomisten von historischem oder literarischem Wert berufend. Abgesichert in der patriarchalen Seilschaft.

Die eigene Identität als Versteckspiel. Ist das noch Existentialismus, frage ich mich nach drei Tagen mit Camus, dem Hund meiner Tochter, oder steckt dahinter schon ein Streben nach Transzendenz?

Man will ja arbeiten, sucht Arbeit, um die eigene Existenz zu bestreiten, so viel steht fest. Menschen in den unteren Einkommenssegmenten arbeiten nicht, um sich selbst zu verwirklichen, sondern um den Alltag zu finanzieren. Lebenshaltungskosten zählen. Unbezahlte Frauenarbeit hingegen wird, der öffentlichen Wahrnehmung nach, zur weiblichen Selbstverwirklichung verrichtet. Ja. Das nehmen sich die Frauen unserer Tage eben heraus. Wozu hat man schließlich Kinder? Kinder, Familie, Haus und Garten, Hund und Katz, Oma und Opa, sie verdienen unsere Wertschätzung. Klartext: Das sind die, für die wir selbstverständlich vorrangig und gern entlohnungsbar alles tun.

Du lebst deine basissozialisierte Identität, tauschst vielleicht deinen Namen, sicher aber deinen Rahmen und schwups, schon bist du Ehefrau, Mutter, Schwiegertochter, Hegende und Pflegende. Ausradiert die begabte Pflichtschulgöre, die freche Maturantin, die kluge Bacheloranwärterin, die zukunftsorientierte Masterstudentin. So leicht, wie dein Namen seinen Hatschek verliert, lässt du deinen vollen Kühlschrank zu Hause zurück, in Sarajevo, in Kiew, in irgendwo. So leicht und beiläufig rutschst du in ein Etwas, in dem plötzlich nur mehr eines zählt: die Anpassung. Du bist ein fähiges Mädchen, kannst auch das und bist stolz darauf.
Weil ich ein Mädchen bin, singt Lucilectric und beschreibt, wie du mit femininen Waffen die Welt dazu zwingst, dich zu entwerten. Frauen bezwingen natürlich auch, aber in erster Linie sich selbst. Schrei laut: Ich bin nichts wert, aber ich will arbeiten, Kinder kriegen und zum System gehören! Sollte dich jemand fragen warum, dann hast du natürlich eine Antwort: Die eine Antwort: Alles für die Liebe.

Also doch Transzendenz, nix mit Existenzialismus. Das ist der namenlose Grenzübertritt, den Frau Tomic beschreibt. Daher kommt das mulmige Gefühl. Wir müssen über den Styx.

Du möchtest arbeiten. Es ist in unserem Jahrhundert ganz normal, dass jede Frau auch eine Karriere hat, ob sie will oder nicht. Ein eigenes Konto, einen online-Finanzamt-Zugang. Frauen sind vollkommen gleichberechtigt bei uns, wer würde das abstreiten. Was sie aus dieser Gleichberechtigung machen? Nächste Frage. Frauensolidarität? Führt uns wieder in die Transzendenz.

Frau Tomic beschreibt auch ihre Flucht in die öffentliche Bibliothek, wo sie gerne liest. Dort kann sie sein, wer sie ist. Die Autoren, die sie zitiert sind allesamt Männer. Unangepasste Männer natürlich, sonst wären sie ja nicht berühmt geworden. Wer oder was hat sie berühmt gemacht und wird verhindern, dass Frau Tomic oder ich berühmt werden? Ist das eine berechtigte, eine nebensächliche, eine politische oder eine existenzielle Frage? Nein! Bitte keine Transzendenz! Ich lebe noch. Und Frau Tomic auch.

Wem der Schuh passt, sagt Liesmann. Auch die Philosophie hat es nicht weit gebracht im nicht mehr so neuen Jahrhundert. Ziemlich angep*sst.

Gewissensfrage

Mütter haben ein schlechtes Gewissen. Das belegt jetzt auch die neueste Studie. Mütter fürchten, den Anforderungen an sie nicht zu entsprechen. Dieses schlechte Gewissen haben sie vor Gott und der Welt. Sie fürchten, ihren Kindern gegenüber nicht genug Zeit, nicht genug Geld, nicht genug Engagement aufzubringen. Sie fürchten, ihre Kinder nicht optimal zu fördern. Sie fürchten, für einen Startnachteil ihrer Kinder in ein erfolgreiches Leben verantwortlich zu sein. Sie fürchten, die falschen Entscheidungen und letztlich die falschen Väter getroffen zu haben.

Woher kommt diese Angst, nicht zu genügen, gerade bei denen, die sich so lange überlegt haben, ob sie das Muttersein wagen sollen oder nicht? Die Macht des Gewissens, das Gerüst unserer Gewohnheiten, das unseren Alltag aufrecht erhält, unsere Gesellschaft funktionieren lässt, die auf Anhieb weiß, was richtig und was falsch, was gut und was böse ist, sie bestimmt uns Frauen. Hannah Arendt setzt das Gewissen dem Grad der Angepasstheit gleich. Sind wir Frauen die angepassteren Menschen? Woran haben wir uns angepasst? An den steigenden Wohlstand?

Wenn Wohlstand als Durchsetzung der eigenen Interessen auf Kosten Dritter definiert wird, dann sind wir Frauen für den Grad des Wohlstands in unserer Gesellschaft verantwortlich, allein durch unsere Geneigtheit, sich ausbeuten zu lassen und sich auch selbst noch auszubeuten. Denn mein Gewissen sagt mir, wie ich mich den anderen gegenüber zu verhalten habe, aber auch, was ich von mir selbst fordern muss. Die Gesellschaft hat die Frau Mut und angepassten Mut gelehrt. Selbstaufopferung und angepasste Selbstaufopferung. Das perfide an unserem Wohlstand ist, dass er sich ständig vergrößern muss, dass er ständig mehr will, dass er durch und durch ein kapitalistischer Wohlstand ist. Er will wachsen, sich mehren, größer werden. Er strebt nach Grenzenlosigkeit. Für sich, nicht für alle.

Wenn aber auch wir Frauen in diesem Wohlstand groß geworden sind, in diesem von uns selbst geschaffenen Wohlstand leben, warum entscheiden wir uns immer noch für das schlechte Gewissen? Statistisch gesehen steigt mit höherer Bildung auch die Wahrscheinlichkeit, sich als Mutter unglücklich zu fühlen. Denn unbestritten ist eine, die ständig unter einem schlechten Gewissen leidet, nicht glücklich.

Generationen von Männern und Machtmenschen hingegen, die eigene Nabelschau gewohnt, angefangen von der Bauchpinselei durch die Mutter, bis hin zur Ausbildung in einem Schulsystem, das uns lehrt, dass alles was wir sind und sein können, von Männern erschaffen wurde, bis hin zur treuen Anhänglichkeit der geduldigen Gefährtin, die sich jeder wünscht, haben offensichtlich kaum ein Gewissen. Ihnen sagt der Markt, was gut und böse ist. Und in der Zeitung lesen sie, dass Frauen Angst haben, nicht zu genügen. Wenn sie ihre Frauen also weiter bei der Stange halten wollen, genügt es, sich dieses latent schlechten Gewissens zu bedienen. Männer mögen kein Gewissen haben, aber stattdessen verfügen sie über ein hervorragendes Sensorium dafür, wo sie ihre Machtbestrebungen ausleben können.