Als Kind haben mich meine Eltern zum Wandern animiert, gewissermaßen könnte man sagen, sie haben mich dazu gezwungen, denn sie haben das Wandern geliebt und mich natürlich mitgenommen. Wie viele Kilometer bin ich in meiner Kindheit grummelig und missmutig gegangen. Wie viele Stunden war ich ohnmächtig wütend, weil ich ganz und gar nicht durch Wald und Feld ziehen wollte. Ich konnte keinen Sinn darin erkennen, Gipfel zu erklimmen. Schnaubend bin ich durchs Gelände gestapft, fest entschlossen, als Erwachsene meine Freizeit nicht mit irgendwelchen sinnlosen Märschen zu verplempern. Wozu jemand aufbrechen sollte, um nach kürzerer oder längerer Zeit doch wieder nur zum Ort des Ausgangs zurückzukehren, erschloss sich mir in keinster Weise. Daher stiefelte ich missvergnügt und brummig hinter meinen Eltern her, bis wir an einen Bach kamen oder ich einen Schmetterling entdeckte, auf einen seltsamen Stein stieß oder mich schlicht darauf freute, bald wieder zu Hause zu sein und weiß Gott was Besseres zu machen.

Wenn ich heute schlechte Laune, ein enttäuschtes Herz oder einen misslungenen Arbeitstag hinter mir habe, mich ohnmächtig oder schlecht behandelt fühle, ziehe ich meine Wanderschuhe an, denn dieses Gefühl des unzufrieden Seins und das sich Fortbewegen im Freien gehören in meinem Leben unverbrüchlich zusammen. Ich marschiere forsch los und so übellaunig ich auch sein mag, je länger ich gehe, desto leiser wird das Rumoren in mir.

Ich könnte nicht sagen, ob ich dabei vor mir selbst davon oder mir nachrenne, aber allein das sich Wegbewegen von allem, was den Alltag ausmacht, schafft eine Distanz, die sich auch im Denken breit macht. Plötzlich kommen über den Anblick zweier Schafe im Weingarten Erinnerungen über mich, die mir ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Das Wasser aus dem Trinkbrunnen schmeckt so frisch, dass ich an eine Almwanderung in einem längst vergangenen Sommer denken muss, bei der die Kinder noch klein waren. Ich erklimme die Aussichtswarte und sehe die Nebel ziehen, die nach dem Regen aus dem dunklen Wald aufsteigen, als wollte der Herbst schon Einzug halten. Es ist, als wollten alle Sommer, die ich je erlebt habe, an mir vorüberziehen.