Küssen kann man nicht alleine

Schwanger werden auch nicht

Küssen kann man nicht alleine, hat schon Max Raabe gesungen und war damit sehr erfolgreich.

Christian Fiala, Facharzt für Frauenheilkunde, erläutert in seiner Außensicht in der Kleinen Zeitung vom 27. Jänner, warum eine Gesellschaft Verantwortung trägt, wenn Frauen ungewollt schwanger werden. Und er legt schlüssig dar, warum sich gerade aus der daraus resultierenden unterlassenen Hilfestellung eine sinkende Geburtenrate ableiten lässt. Denn wenn Frauen nicht in der Lage sind, für die Kinder zu sorgen, die sie schon haben, entscheiden sie sich dafür, etwaige weitere Kinder nicht zu gebären. Da hilft das Kriminalisieren von Schwangerschaftsabbrüchen nichts. Jemandem die Rute ins Fenster zu stellen, dem das Wasser bis zum Hals steht, weil er eine mitgenannte Sie ist und vielleicht dazu noch schwanger, ist mehr als unvernünftig. Das sagt uns der Hausverstand.

Warum aber machen wir das Kinderkriegen und Kinderhaben nicht schöner für alle Betroffenen? Und all jene, die keine Kinder wollen, sollen auch keine bekommen müssen. Was wäre einfacher? Es ist ein Leichtes und allenthalben Praktiziertes alle jungen Männer einzuberufen und mit ihrer Wehrdienstpflicht zu konfrontieren. Kein administrativer Aufwand ist zu groß für Heimat, Ehr und Vaterland. Was man hingegen nicht kann und wohl auch nicht will ist, alle PflichtschülerInnen so aufzuklären, dass sie sich ihrer Verantwortung, die sie für Sexualität und Fortpflanzung tragen, bewusst werden. Ethikunterricht beginnt beim Selbst, und mein Selbst existiert durch meinen Körper, für den ich Verantwortung trage, ebenso, wie die Gesellschaft Verantwortung dafür trägt, dass es nicht zu ungewollten Schwangerschaften kommt. Aber in einer Kultur, in der Menstruationshygiene selbstredend hoch besteuert wird, wird natürlich über Verhütungsmittel nicht gesprochen. Wer sie wie verwendet und wer sie bezahlt, das sind Themen, die bleiben fein säuberlich ausgespart.

Die Jungfräulichkeit und der Schutz des Hymen scheinen ein allen Religionen gemeinsames Anliegen zu sein. Unsummen von Geld werden ausgegeben für die Wiederherstellung von Jungfernhäutchen, die Beschneidung von Mädchen auch in Europa und für Abtreibungen. Sind Menschen, die solchen Praktiken ausgesetzt sind, Menschen oder wandelnde Reliquienschreine? Würden Sie nach einem Verkehrsunfall für alle Kosten aufkommen, oder gäbe es eine Versicherung, die ihre körperliche Unversehrtheit sicherstellt? Risikoeinschätzungen sind das A und O der Wirtschaft. Nur bei den Frauen kann man sich weiterhin sicher sein, dass sie sich wie Melkkühe behandeln lassen, weil sie ja nicht einmal im Stande sind, ein bisserl Frauensolidarität zu zeigen. Wahrscheinlich sind die wenigsten von ihnen überhaupt in der Lage zu entscheiden, ob und wie viele Kinder sie haben wollen. Da lässt sich leicht dreinreden, denn wer die Kosten, den Pflegeaufwand und den Rest vom ganzen Spaß trägt und dann auch noch selbst daran Schuld ist, ist vollkommen klar.

Wir brauchen nicht nur Unterstützung bei gewollten und ungewollten Kindern. Wir leben unseren Töchtern vor, was sie in Zukunft erdulden werden müssen. Bevormundung. Entrechtung. Das unsichtbare Kopftuch.

Dass Selbstbestimmung ein Grundrecht ist, die Entscheidung, was mit meinem Körper passiert, nur ich treffen darf und jede Art von persuasiver Übergriffigkeit hintanzuhalten ist, scheint immer noch zu überraschen, besonders jene, die sich in ihre Lebensplanung sicher nichts dreinreden lassen.

2 Comments

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  1. du beschreibst sehr anschaulich, wie einfach es für den staat ist, für “ehre volk und Vaterland” personen zu rekrutieren, und wie “hilflos” sich der Staat gebärdet, wenn es um hilfestellung für sexualaufklärung, schwangerenberatung oder ungewollte schwangerschaft geht.
    ich gehe eher davon aus, dass das thema um die schwangerschaft für eine gesellschaft, wie der unseren, von großen weltanschaulichen und religiösen gräben und verwerfungen durchfurcht, und mit hohen tretminen bestückt ist, sodass sich wenige da hinein wagen. aber nicht nur weltanschauliche vorstellungen, auch unterschiedliche menschenbilder und gesellschaftsideen kommen zu tragen. da kommt es zu vorfällen, wie kürzlich, wo unser unterrichtsministerium “lenkend” eingreifen “mußte”, weil sich eltern über die form der sexualaufklärung in einer schule alterierten. es geht auch der dialog der unterschiedlichen standpunkte verloren, es wird nicht mehr diskutiert sondern einfach abgedreht.
    ich bewundere daher umso mehr den langen atem vieler “pressuregroups” aus den reihen der feministinnen, die nicht müde werden, auf spezielle bedürfnisse von menschen hin zu weisen, und so darauf aufmerksam machen, dass zu all den unterschiedlichen auffassungen in der gesellschaft, vitale menschliche bedürfnisse erkannt werden….

  2. Liebe Eva, das Selbstbestimmungsrecht der Frauen leidet an gesellschaftlichen Druck und Schubladisierungsgefahr, die eine Isolation und Verkapseln in einer zugeschriebenen Gruppe verursacht. Ich denke, dass das von dir beschriebene Thema ist sehr wichtig und wird immer wieder aktuell.

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