Tag: #feminismusamland

Fleisch

Ich schneide ins Fleisch

In der Hand von komplizenhaften Seilschaften

schneide ich das Fleisch,

pflege die Räume für die Brut,

lese ihre Bücher,

kämme das Arsen,

das man mir verabreicht, wie

einem Ross vor dem Rennen.

Die Treibjagd auf die Journalistin

schlägt auch im feministischen Biotop Wellen.

Der hegemoniale Tratsch will es,

dass immer Zwei dazu gehören.

In der Hand von komplizenhaften Ewigpubertierenden,

schneide ich das Fleisch,

binde die Brühe,

poliere mein Zaumzeug,

versorge alle gut und mich leidlich,

leg mich in gemachte Betten,

aus denen ich geteert und gefedert,

wieder aufstehe

und weiterschneide,

in das Fleisch der perfiden Jäger.

Gewalt- und Opferschutz für Frauen 2023

Rechnungshofbericht „Gewalt- und Opferschutz für Frauen 2023“ fordert effektiveren Schutz und langfristig angelegte Strategien

Der Rechnungshofbericht „Gewalt- und Opferschutz für Frauen 2023“ fordert effektiveren Schutz und langfristig angelegte Strategien. Vom Klimaschutz wissen wir: Ohne bewusstseinsbildende Maßnahmen ändert sich kaum etwas. So wird man über den Einsatz der Ressourcen und den rechtlichen Rahmen, die einander ja wechselseitig bedingen, weiterhin beraten und diskutieren. Was aber ist heute und jetzt zu tun? In der Steiermark schießen die Femizidzahlen in die Höhe. Wir führen die österreichweite Statistik an. Vielleicht weil Alkohol und exzesshaftes Verhalten, aber auch eine nachhaltige Beeinträchtigung der Intelligenz bei ausreichend Alkoholkonsum, an unseren schönen Weinbergen festgemacht werden können? Nein! Schreit der Tourismus. Vielleicht weil die Exekutive zu sehr um Gerechtigkeit bei den Wegweisungen bemüht ist, anstatt einfach jede Frau ernst zu nehmen? Nein. Die Polizei ist auf Zack. Vielleicht weil durch strukturelle Gewalt, das Fehlen von Kinderbetreuungsmöglichkeiten und die ungleiche Bezahlung Frauen einfach besser dauerhaft dem traditionellen, niemals beglückenden Kleinfamilienmodel anhängen? Kann nicht sein, denken wir. Jede ist ihres Glückes Schmiedin.

Also sind wohl die Frauen selbst Schuld an der Misere. Denn die besteht nicht etwa darin, dass Femizide geschehen und Frauen von ehemals Geliebten hingemordet werden. Die Misere ist – und das sagt uns der Rechnungshofbericht – dass das Geld nicht klug verwendet wird. Viel Herumgewurschtel mit wenig Output. Im Sinne einer Sensibilisierung aller Bevölkerungsschichten ist jedenfalls ein Hinschauen erforderlich. Gewaltspuren im sozialen Nahraum müssen erkannt, benannt und gebannt werden. Hilfreich wäre da natürlich auch eine mediale Berichterstattung, die weniger skandalisieren und mehr informieren könnte. Die Kontaktdaten und Anlaufmöglichkeiten von Opferschutzeinrichtungen, Beratungsstellen und Bildungseinrichtungen sollten so augenfällig und effektiv sein wie Lottoannahmestellen. Die Chancen, einen Jackpot zu machen sind gering, aber dass in zwei Wochen der nächste Femizid Österreich erschüttern und völlig überraschend eine von uns treffen wird, das ist sicher.

Geld wie Sand am Meer,

aber nicht für Frauen

Bargeldloser Zahlungsverkehr hat sich gegenüber dem Tauschhandel der vorigen Jahrhunderte relativ rasch durchgesetzt. Frauenanliegen hingegen tümpeln konsequent dahin. Cui bono? Nicht immer lässt sich nachvollziehen, wohin die demokratische Reise geht. Eine völlige Abschaffung des Bargelds trüge jedenfalls maßgeblich zur Transparenz von Geldflüssen bei. Die EU und so mancher österreichische Politiker – Politikerinnen werden neuerdings dort, wo man nicht gendern mag, wieder mitgemeint – wollen es allen recht machen und diskutieren nun eine optisch ansprechende Neugestaltung der Banknoten.

Doppeldeutige politische Botschaften, soweit das Auge reicht. Diese Nicht-Fisch-und-nicht-Fleisch-Haltung scheint sich in unseren zunehmend veganen Zeiten in allen Themenbereichen durchzusetzen. Wie beim Geld vergisst man aber, worauf es eigentlich wirklich ankommt, nämlich auf eine Bekämpfung der horrenden Inflation, die den Durchschnittsbürger:innen das „normale“ Leben nahezu verunmöglicht. Aber was ist schon normal?

Beim Klima ist es nicht anders. Um der Letzten Generation ebenso gerecht zu werden, wie denjenigen, die noch schnell einmal eine richtig schöne Fernreise erleben wollen, bevor das am Ende gar verboten oder völlig unleistbar wird, begibt sich die Politik nun in Sommerpause, ungeachtet der Tatsache, dass diese nur genossen werden kann, wenn a) das Einkommen stimmt und b) die Klimaanlage funktioniert. Von einer realen Klimaanlage, einer sinnvollen Investition ins Klima, könnte man hingegen sprechen, wenn der öffentliche Verkehr endlich ausgebaut und der Gütertransport auf die Schiene verlagert würde. Darüber wird, wenn überhaupt, nur mit Verspätung und außerordentlich schleppend diskutiert.

More oft the same in der Frauenpolitik. Eine Investition ins gesellschaftliche Klima wäre der Ausbau der flächendeckenden Kinderbetreuung. Da das nicht klappt, versucht man es nun mit Verhütungsmittelfreigabe, also Gratispille? Nicht in echt. Wir reden und schreiben nur drüber, damit Aktion vorgetäuscht wird. Denn: Schwangerschaftsabbruch bleibt nach wie vor ein Strafdelikt und keineswegs eine Ermessensfrage jener, die meinen: Mein Körper gehört mir. Dass Frau-Sein einer teuer zu stehen kommt, erfährt unsereins in jeder Lebensdekade: In unseren ersten 10 Lebensjahren sozialisiert uns das System nach wie vor rosarot und himmelblau. In der zweiten Dekade strengen wir uns gewaltig an, spielen Fußball, Klavier und Barbie und bringen die besseren Schulabschlüsse. In Dekade drei verdient der Staat in jedem nur erdenklichen Fall an unserer Fertilität. Zwischen 40 und 50 frisst uns entweder die Familie oder eine, um ein Drittel minderbezahlte, Arbeit auf. Von 50 bis 60 versuchen wir Anschluss zu finden, an neue Partner, Pensionszeiten oder sinnstiftende berufliche Umorientierung. Dekade sechs zeichnet sich für viele von uns wieder durch Pflegeverpflichtungen aus. Wir pflegen die Eltern, die Schwiegereltern, auch oft hauptberuflich und unterbezahlt. Zwischen 70 und 80 erleben wir mehrheitlich, was Altersarmut, Altersdiskriminierung und Alterseinsamkeit bedeuten. Wer tatsächlich 80 oder älter wird, muss sich vorwerfen lassen, dass sie ihren Partner überlebt hat und nun dem System auf der Tasche liegt. Das alles verkauft uns die Politik als Wahlfreiheit, die Frauen ohnehin schon seit Jahrzehnten genießen und nimmt dieses Argument als Rechtfertigung dafür, Frauen-Startups ebenso wie Sozialarbeit weiterhin nur marginal zu fördern. Feminismus bleibt, durch die Verweigerung jeglicher dauerhaften Finanzierung von Fraueneinrichtungen, lahm und ungelenk, immer in den Kinderschuhen. Feministinnen gibt es ja ohnehin nicht, wie Sand am Meer. Oder fällt ihnen außer Alice Schwarzer noch eine ein? Ein gewollter Feministinnen-Engpass! Egal. Feminismus ist und bleibt, im Gegensatz zu Rammstein und dem patriarchal organisierten Kunst- und Kulturbetrieb unserer Tage, Sand im Getriebe einer sich rasant entwickelnden europäischen Demokratie.

Als ich nicht schlief

Als ich eines Nachts nicht schlief,

ging ich durch alle unsere Räume

mit dem waidwunden Blick

vom bald schon letzten Mal.

Jedes Detail war mir so lieb.

Der Sprung im Glas der Lampe,

die Krumen auf dem Tisch,

das Geschirr vom letzten Abend,

in der Spüle unsere Weingläser.

Dein ruhiger Atem drinnen,

aus dem ich heraustrat

und auf das schwarze Meer sah.

Es nickte mir Mut zu.

Ein allerletztes Mal.

Spanien macht`s vor

Spanien macht vor, was eine Gleichbehandlungsministerin bewegen kann.

Irene Montero, die spanische Gleichbehandlungsministerin seit 2020, ist die Stimme für LGBTQA- AktivistInnen. Sie macht klar, dass Feminismus für alle da ist. Für uns alle. Feminismus ist die Stimme gegen soziale Ungerechtigkeiten.

Der Gesetzesantrag zur freien Geschlechterwahl ab 16 ist in Spanien beschlossen. Das Recht auf arbeitsfreie Tage bei starken Menstruationsbeschwerden ist spanienweit bewilligt. Das sind europäische Meilensteine in Sachen Gleichstellungspolitik.

Tatsächlich hat die ganze europäische Bevölkerung ein Problem: nämlich ein Gewaltproblem. Diesmal meine ich nicht die Femizide, die zur grauenvollen Realität unseres Alltags gehören. Für gewisse Formen der Gewalt finden wir, ohne uns das zu vergegenwärtigen, Rechtfertigungen. So kommt es, dass in unserem Unterbewusstsein bestimmte Handlungsweisen schon so sehr verinnerlicht sind, dass wir selbst gar nicht bemerken, wie tolerant wir zum Beispiel toxischer Männlichkeit gegenüber sind.

Wir tolerieren Männer, die uns kontrollieren, die uns einschränken, die unsere Freiheit beschneiden, die uns schlecht behandeln, die unsere erbrachten Leistungen überhaupt nicht zu schätzen wissen. Wir finden Ausreden. Männer, die SMS Nachrichten und E-Mails auf den Handys ihrer Frauen lesen, Männer, die Frauen nicht erlauben, sich mit ihren Freundinnen zu treffen, Männer, die ihre Partnerinnen in jeder Beziehung kurzhalten, erleben wir oft als besorgte, wenn nicht sogar fürsorgliche Freunde. Wir rechtfertigen ihre Übergriffigkeiten. Männer, die Unterhalt für ihre Kinder bezahlen, bewundern wir, während wir Frauen, die ganztags arbeiten, um ihren Kindern einen gewissen Lebensstandard zu bieten, für karrieregeil oder für Rabenmütter halten. Frauen, die geschlagen oder vergewaltigt werden, haben sicher auch selbst schuld, denken wir. Mit dieser Einstellung tun wir uns auch selbst Gewalt an. Dazu sagen wir StoP. Stoppt Partnergewalt, so heißt ein österreichweites Projekt, das derzeit in 25 Frauenberatungsstellen umgesetzt wird. Leibnitz ist eine davon.

Wichtig sind Politikerinnen in der Öffentlichkeit, die aufzeigen, dass alle dieselben Rechte haben müssen. Wichtig sind Einrichtungen, die für sie Frauen da sind. Wichtig sind Sie und Ihre Unterstützung für diese Anliegen, die unser aller Anliegen sein müssen. Stoppt das Schweigen über Gewalt, und reden wir darüber. Täglich und mit allen Menschen, die uns begegnen.

Es zipft mi aun, waun …

Es zipft mi aun,

waun

i net bin, wer i bin.

Waun i spinn.

Waun i umadruck und owaschluck

wias ma geht

wals net grod zum Besten mit uns steht.

Wal owa Weihnochtn is

und i den Weihnochtsfriedn

doch des gaunze Joah üba vamiss,

holt i zur Stund

liaba mein Mund,

wal dia sunst am End wida

ane auskumman kunnt.

Es zipft mi aun,

waun

i scho was,

wia des weida geht mit dem Schas.

Wal es is net gnua, dass i olls tua

von in da fruah

bis spät in di nocht.

Wal wauns daun krocht,

wors trotzdem mei Schuld.

Wal di Geduld hot a amol a End.

Und wal i so bled bin

föhln ma just jetzt, zu Weihnochtn,

vuan zwa Zähnt.

Es hot mi, wia ma so sogt:

full darennt.

Wal grod zu Weihnochtn,

wenn alle Fotos mochn

und verschicken,

muast du ma ane picken.

Es zipft mi aun,

waun

unterm Christbam dann olle bled schaun.

Wal mia sitzen jo trotzdem zam und hom a Freid

an di Kerznan und am Schnops.

Und i was jo, dass as di reit.

Jo, sicha es tuat da lad vor die Leit.

Sogoa zu ana Entschuldigung warast bereit,

zu dera weihnochtlichn Zeit.

Owa vorigs Joah, mitn blaun Aug

hob i wenigstns die Weihnachtsbrötchen vom Spar beißn meign.

Heit geh i hungrig ham und ohne Geschenke.

Gott sei Dank worn wenigstens die Getränke

reichlich vorhaundn

I hob nur net vastaundn,

warum mei Muatta jetzt

im Sigmund Freud obgsondat sein muas.

Weihnachtn ohne ihra, ohne an Gruas?

Es zipft mi aun,

woun

da Foda ihra grod einweisn losst

zu di Feiatäig,

wou er dei Famülienfeiern doch so hosst.

Na guad. Die Brötchen hot er vuriges Joah jo a scho bschtöllt.

Wal letzts Joah hom meina Muatta die Zähnt vuan gföhlt.

Seelenstern und Weihnachtsdrachen

Puppchen, du bist mein Augenstern.

Puppchen, hab dich zum fressen gern.

Mein Vater singt das und wirbelt mich im Kreis.

Er liebt Operettenlieder.

Diese Erinnerung an meine Kindheit,

an meine heile Kindheit,

ist zu meinem Seelenstern geworden,

der in mir funkelt.

Je mehr Zeit verstreicht,

desto verklärter wird dieses Leuchten in mir.

Hätte ich diese Zeit nicht selbst erlebt,

diese ausgehenden Sechziger und anbrechenden Siebziger,

dann würde ich jauchzend miteinstimmen

in das Lied über die gute alte Zeit,

das die Ewig-Gestrigen so beharrlich singen.

Aber neben dem Seelenstern haben sich in mir auch Irrlichter erhalten.

Unwesen in trampelnden Stiefeln und unseligen Ledermänteln

lauern in meinen dunklen Winkeln.

Und da ist er auch auch: mein Weihnachtsdrache.

Der tanzt zu den Feiertagen durch die alten Familiengeschichten,

die ich den Kindern und Enkelkindern so gern auftische,

um ihnen zuverlässige Anhaltspunkte zu geben dafür,

woher wir kommen und wohin wir gehen.

Ja! Glaubt es nur! Das ist die wahre Frohbotschaft:

Der Seelenstern leuchtet, und der Weihnachtsdrache tanzt uns voraus.

Patriarchat im Krisenmodus

Seit dem Tod der 22-jährigen Masha Amini herrscht Aufruhr im Iran. Wir konnten beobachten, was nach einem Femizid abläuft. Der Schock erfasst das unmittelbare Umfeld, und dann bemüht man sich erst einmal das Geschehene zu verharmlosen und die Schuld dem Opfer in die Schuhe zu schieben. Masha Amini war selber schuld, denn die staatliche Sittenpolizei, ist nur deshalb eingeschritten, weil sich die junge Frau falsch verhalten hat. Das Leben der ungehorsamen Frauen ist – selbst im 21. Jahrhundert – unwertes Leben. Um ihren Gehorsam zu zeigen, verhüllen Frauen im Iran ihren Körper und ihr Haar. Damit bekunden sie öffentlich, dass sie sich mit Religion, Staat und Scharia identifizieren.

Nun zeigen Menschen weltweit ihre Solidarität, unter anderem indem sie sich vor laufenden Kameras die Haare abschneiden.

Was muss passieren, dass Frauen auf die Barrikaden steigen? Allein 24 Femizide gab es heuer schon in Österreich. Das Budget zum Gewaltschutz wird aufgestockt. Aber sonst? Egal, wie viele Frauen keine Kinderbetreuung für ihre Kleinkinder haben und daher nicht arbeiten, nicht autonom sein können. Egal wie groß der Gender-Pay-Gap nach wie vor ist. Egal, wie vielen Frauen bekannterweise schadhafte Verhütungsspiralen eingesetzt wurden – und hier bekommt das Wort Gewalt-Spirale eine ganz neue, noch menschenverachtendere Bedeutung. Egal wie viele Frauen ihre gesamte Freizeit mit unbezahlter familiärer Care-Arbeit verbringen. Sie nehmen es in Kauf, um ihren Gehorsam zu zeigen, um ihren Beitrag zu leisten. Unsere Töchter werden dieses österreichische System forttragen, wie die Frauen es in den letzten Jahrzehnten im Iran mit der Macht der Mullahs taten. Unter dem Deckmantel einer verschrobenen Moral und scheinbar zum Wohle der Familien, der Gesellschaft, lassen Frauen sich weltweit knechten und sind doch, dort wie da, selber schuld. Victim Blaming, die erniedrigte Frau, die noch mehr gedemütigt werden muss, sollte sie es wagen, etwas Gewalt zu nennen, von dem die Weltwirtschaft profitiert. Kämpfende Frauen sind ein No-Go.

Die Revolution im Iran entstand erst, als Menschen das Fehlverhalten Masha Aminis als heldenhafte Tat würdigten, sich mit ihr und allen anderen unterdrückten Frauen solidarisierten und sich gegen die Staatsmacht wandten. Seite an Seite kämpfen nun vor allem junge Leute gegen ein übermächtiges, von ökonomischen und patriarchalen Interessen getragenes Staatswesen. Feminismus heißt, sich für Gleichberechtigung aktiv einzusetzen, so dass himmelschreiende Ungerechtigkeiten nicht mehr geschehen können. In Österreich hieße das, sich öffentlichkeitswirksam feministisch zu positionieren. Aber wer hat dazu schon den Mut?

Angep*sst

„Lieber zerfranst es mich …“ heißt das Hörspiel von Manuela Tomic, die vor lauter Anpassung sogar auf das Hatschek bei ihrem Namen verzichtet. Hat jemand schon von ihr gehört? Nein, wohl die wenigsten.

Kein Wunder, denn wer sich anpasst und anpasst und anpasst, verschwindet in der Menge. Geht auf im großen Ganzen. Verliert sich. Unsere Geschichtsschreibung aber interessiert sich nicht nur für kapitalistischen Drive und territoriale Eroberungen, für Atomwaffen und Bodenschätze, nein sie ist darüber hinaus ganz geil auf diejenigen, die selbst herausragend unique, andere zur Anpassung zwingen. Je mehr du bezwingen kannst, desto profitträchtiger bist du nämlich. Im Gegensatz zur Disziplin Anpassung, in der wir Frauen es zu Spitzenleistungen gebracht haben, sind Frauen in der Disziplin Bezwingung ganz schlecht. Hohes Anpassungspotenial, bei approximativ null Bezwingungsenergie.

Der Tag, als meine Identität zum Versteckspiel wurde, lautete der Titel von Frau Tomics Essay, vor ein paar Monaten in der Zeitung. Auf dem Titelblatt derselben prangt das 1:1 gegen Frankreich, das unsere großen Söhne, die Töchter mitmeinend, aber in der Bundeshymne zu Beginn des Spiels beharrlich nicht singend, errungen haben. Unter deutscher Führung feiert unser Nationalteam endlich wieder Erfolge. Es will den Sieg. Die erste Doppelseite der Samstagszeitung gehört einer Philosophin. Und: Über welches Thema könnte eine Frau, eine Migrantin, wohl besser philosophieren, als über Anpassung.

Nicht nur Frau Tomic, auch wir sehen allenthalben Ukrainerinnen. Am Land nicht gar so viele wie in den Städten, aber wir haben eine gewisse Sensibilität dafür entwickelt, wer Unkrainerin sein könnte. Wir haben unseren Blick an die Berichterstattung der Medien angepasst.

Liesmann, der Vordenker der Nation, fragt sich ernsthaft, ob man etwas gegen Migranten und Zuzug haben darf, jetzt wo die EU sogar, nach schier endlosen Bemühungen, zu einem europäischen Verteilungsschlüssel gefunden hat. Aber lassen wir Liesmann rechts liegen! Er ist nur einer von vielen, die das Anpassen sicher nicht nötig haben. Ein genialer Typ! Von bezwingender Logik. Quasi omnipräsent. Sich ständig auf renommierte Taxonomisten von historischem oder literarischem Wert berufend. Abgesichert in der patriarchalen Seilschaft.

Die eigene Identität als Versteckspiel. Ist das noch Existentialismus, frage ich mich nach drei Tagen mit Camus, dem Hund meiner Tochter, oder steckt dahinter schon ein Streben nach Transzendenz?

Man will ja arbeiten, sucht Arbeit, um die eigene Existenz zu bestreiten, so viel steht fest. Menschen in den unteren Einkommenssegmenten arbeiten nicht, um sich selbst zu verwirklichen, sondern um den Alltag zu finanzieren. Lebenshaltungskosten zählen. Unbezahlte Frauenarbeit hingegen wird, der öffentlichen Wahrnehmung nach, zur weiblichen Selbstverwirklichung verrichtet. Ja. Das nehmen sich die Frauen unserer Tage eben heraus. Wozu hat man schließlich Kinder? Kinder, Familie, Haus und Garten, Hund und Katz, Oma und Opa, sie verdienen unsere Wertschätzung. Klartext: Das sind die, für die wir selbstverständlich vorrangig und gern entlohnungsbar alles tun.

Du lebst deine basissozialisierte Identität, tauschst vielleicht deinen Namen, sicher aber deinen Rahmen und schwups, schon bist du Ehefrau, Mutter, Schwiegertochter, Hegende und Pflegende. Ausradiert die begabte Pflichtschulgöre, die freche Maturantin, die kluge Bacheloranwärterin, die zukunftsorientierte Masterstudentin. So leicht, wie dein Namen seinen Hatschek verliert, lässt du deinen vollen Kühlschrank zu Hause zurück, in Sarajevo, in Kiew, in irgendwo. So leicht und beiläufig rutschst du in ein Etwas, in dem plötzlich nur mehr eines zählt: die Anpassung. Du bist ein fähiges Mädchen, kannst auch das und bist stolz darauf.
Weil ich ein Mädchen bin, singt Lucilectric und beschreibt, wie du mit femininen Waffen die Welt dazu zwingst, dich zu entwerten. Frauen bezwingen natürlich auch, aber in erster Linie sich selbst. Schrei laut: Ich bin nichts wert, aber ich will arbeiten, Kinder kriegen und zum System gehören! Sollte dich jemand fragen warum, dann hast du natürlich eine Antwort: Die eine Antwort: Alles für die Liebe.

Also doch Transzendenz, nix mit Existenzialismus. Das ist der namenlose Grenzübertritt, den Frau Tomic beschreibt. Daher kommt das mulmige Gefühl. Wir müssen über den Styx.

Du möchtest arbeiten. Es ist in unserem Jahrhundert ganz normal, dass jede Frau auch eine Karriere hat, ob sie will oder nicht. Ein eigenes Konto, einen online-Finanzamt-Zugang. Frauen sind vollkommen gleichberechtigt bei uns, wer würde das abstreiten. Was sie aus dieser Gleichberechtigung machen? Nächste Frage. Frauensolidarität? Führt uns wieder in die Transzendenz.

Frau Tomic beschreibt auch ihre Flucht in die öffentliche Bibliothek, wo sie gerne liest. Dort kann sie sein, wer sie ist. Die Autoren, die sie zitiert sind allesamt Männer. Unangepasste Männer natürlich, sonst wären sie ja nicht berühmt geworden. Wer oder was hat sie berühmt gemacht und wird verhindern, dass Frau Tomic oder ich berühmt werden? Ist das eine berechtigte, eine nebensächliche, eine politische oder eine existenzielle Frage? Nein! Bitte keine Transzendenz! Ich lebe noch. Und Frau Tomic auch.

Wem der Schuh passt, sagt Liesmann. Auch die Philosophie hat es nicht weit gebracht im nicht mehr so neuen Jahrhundert. Ziemlich angep*sst.

Sexismus ist Betrug an der Mehrheit

Sexismus ist abzulehnen, darüber ist man sich spätestens seit #metoo einig. Die Tiroler Studie, deren Ergebnisse dieser Tage veröffentlicht wurden, beleget, dass im Durchschnitt 75% der Frauen angaben, von Sexismus betroffen (gewesen) zu sein. Das zeichnet ein widerwärtiges Sittenbild unserer Gesellschaft. Wenn wir uns vor Augen halten, dass 52% der Bevölkerung Frauen sind, denen von klein auf beigebracht wird, dass Männer und Frauen, vielmehr alle Geschlechter, gleichwertig sind und dieselben Rechte haben, ist das Betrug an der Mehrheit. Menschenrechte nämlich gelten für alle. Es handelt sich keineswegs nur um mangelnde Sensibilität, wenn ich mich einer bestimmten Personengruppe gegenüber nicht zu benehmen weiß. Egal ob anzügliche Witze, unangebrachte Kommentare zur Körperlichkeit oder andere physische oder psychische Übergriffe, niemand hat das Recht, seine Mitmenschen zu peinigen oder zu erniedrigen. Ein grundlegendes Problem stellen antiquierte Rollenmuster dar, die wir in Österreich auch im 21. Jahrhundert noch immer nicht überwunden haben. Was ist also Sexismus, und wie können wir ihn erkennen? Im Report vorvoriger Woche gab es einen Beitrag zur Bundespräsidentenwahl, der sich – wie wir alle wissen – keine Frau stellt. Es wäre doch eine gesellschaftspolitisch hoch interessante Frage, wie es kommt, dass es zwar viele Kandidaten, aber keine einzige Kandidatin gibt. Ein Reporter befragt im TV-Beitrag Menschen auf einem Sommerfest. Die Männer werden gefragt, ob sie Vertrauen in das Amt des Bundespräsidenten haben und ob sie überhaupt zu Wahl gehen werden. Eine Frau wird gefragt, ob es sie denn störe, dass es keine weibliche Kandidatin gebe. Ist es nicht seltsam, dass schon die Fragestellung suggeriert, Männer wüssten besser über die Kompetenzen und Sinnhaftigkeit eines Amtes Bescheid als Frauen? Es kommt aber noch viel schlimmer. Die Antwort der Frau ist, es störe sie nicht, denn Männer seine eben viel umgänglicher.

Natürlich kann das ihre Meinung sein. Unbenommen. Die Frage aber ist: Warum zeigt uns der ORF diese Interviews?

Stellen wir uns vor zu einem Thema werden schwarze und weiße Menschen befragt, es geht um eine Führungsposition, um die sich zufällig lauter Weiße beworben haben. Dann werden mehrere Menschen um ihre Meinung zur Führungsposition gefragt. Neben fünf Weißen, fragt man auch einen Schwarzen. Den fragt man aber nicht nach der Sinnhaftigkeit der Führungsposition, sondern man fragt ihn: Stört es Sie, dass sich nur Weiße um diese Führungsposition bewerben?

Der Schwarze gibt zur Antwort: Nein, das stört mich nicht, denn Weiße sind viel umgänglicher.

Der ORF hätte nicht zweimal überlegt und dieses Interview ausgesiebt, wie viele andere bei allen ähnlichen Befragungen sonst auch.

Dieses Denkbeispiel zeigt uns, dass die Sensibilität in Geschlechtergleichstellungsfragen sehr zu wünschen übrig lässt. Wenn Frauen für die gleiche Arbeit weniger verdienen und einen Großteil der Care Arbeit in Familien und außerhalb leisten, spricht niemand von Rassismus. Tatsache aber ist, dass schon John Lennon 1972 erkannt und veröffentlicht hat: Woman is the Nigger oft he World.

Und das wird auch so bleiben, wenn uns öffentlich anerkannte Bildungseinrichtungen und Medien die patriarchale Männlichkeit weiterhin als normal verkaufen und zu deren Absicherung immer wieder auch ein paar Frauen zu Wort kommen lassen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, mit den Mächtigen solidarisieren und öffentlich ausrufen: „Mein Gott! Die armen Männer! Diese verbitterten Emanzen hacken immer wie Furien auf ihnen herum. Also ich habe nichts gegen Männer. Im Gegenteil, ich liebe sie!“

Dann ist die Welt wieder in Ordnung, und alles bleibt, wie es ist.