In der Wochenendausgabe meiner Zeitung habe ich eine Buchbesprechung gefunden: „Die Erschöpfung der Frauen“. Das hat mich sehr angesprochen. Der Untertitel lautet: Wider die weibliche Verfügbarkeit. Die Autorin, Franziska Schutzbach, eine in der Schweiz lebende Geschlechterforscherin, Soziologin und Publizistin, arbeitet sich an der modernen Frau ab. Sofort habe ich erkannt, dass das ein Buch für mich ist. Ich bin eine moderne Frau. Parallel zu Juli ZehÜber Menschen“ werde ich das gut lesen können. Denn Doras Erschöpfung in dem Roman hat doch wirklich ein gutes begleitendes Sachbuch verdient. Endlich kann sie einen Garten anlegen. Aber die Arbeit geht ihr nicht so von der Hand, wie sie sich das vorgestellt hat. Und ihre Nachbarn reagieren auf sie, die junge Frau aus der Stadt, mit Skepsis, Zurückhaltung, Ablehnung. Dora ist eine erschöpfte Frau. Ich auch.

Angesichts der Tatsache, dass ich allerdings innerhalb eines Monats über die ersten 50 Seiten von Julie Zeh nicht hinausgekommen bin und nun auch noch dieses zweite Buch neben meinem Lesesessel am Boden liegt, überkommt mich eine Art von Erschöpfungszustand, der weit über meine übliche Alltagsantriebslosigkeit hinausgeht. Wenn ich abends ins Bett falle, bin ich zu kraftlos, um eines der beiden Werke noch zur Hand zu nehmen. Da erscheint es mir doch wesentlich einfacher, es meiner Lieblingskundin gleichzutun. Sie erinnert mich immer wieder an das Labyrinth der Wörter, wenn sie in ihrem beigen Übergangsmantel neben dem Kassaband steht und wartet, bis sie an die Reihe kommt. Nach wie vor kauft sie jeden Vormittag ein. Genau diese eine Flasche Wein, manchmal auch Brot oder andere reduzierte Lebensmittel. Nie mehr als drei Artikel. Piep. Piep. Piep. Sie steckt alles in ihre schäbige Stofftasche, die sie bestimmt schon hundert Mal gewaschen und vielleicht sogar geflickt hat. Billige Literware. Die beseitigt meine Erschöpfung nicht. Sie verbrämt sie nicht einmal. Sie erklärt sie mir allerdings auch nicht.